Julia Sommerliebe 0020
und hatte mit seinen aufwendig zurechtgemachten, manikürten Patientinnen nichts gemeinsam. Doch gerade ihre Natürlichkeit faszinierte ihn und machte ihm bewusst, wie künstlich die Frauen waren, die sich – meist erfolglos – um seine Aufmerksamkeit bemühten. Ginas Schönheit kam von innen: Sie war eine Frau, die mit sich im Reinen war und nicht versuchte, Eindruck zu schinden oder sich als etwas auszugeben, das sie nicht war. Und er begehrte sie immer mehr.
Es gab einige Frauen in seiner Vergangenheit, mit denen er sich eingelassen hatte, zum Beispiel Antonella. Die Zeit mit ihr war nett gewesen – bis er herausgefunden hatte, dass Antonella in Wirklichkeit eine Reporterin war, die eine mit pikanten Details gespickte Story hatte veröffentlichen wollen. Nach dieser Erfahrung hatte Seb keine Frau mehr in sein Leben gelassen. Natürlich waren viele Frauen darauf aus gewesen, mit ihm zusammen gesehen zu werden. Damit die Zeitungen Namen und Fotos abdruckten und sie dadurch bekannter wurden. An Seb selbst war keine von ihnen aufrichtig interessiert gewesen. Und wegen seines Berufs, der viel Zeit in Anspruch nahm und das Wichtigste in seinem Leben war, hatte er auch gar keine Zeit für eine ernste Beziehung gehabt.
Trotz seiner anfänglichen Vorsicht hatte er bei Gina sofort gespürt, dass sie anders war. Noch nie hatte er sich schon bei der ersten Begegnung so zu einer Frau hingezogen gefühlt. Nicht nur ihr Aussehen faszinierte ihn, auch ihr Auftreten, ihr Humor, ihre Intelligenz und ihre fürsorgliche Art. Die loyale, liebevolle Haltung gegenüber ihren Freunden und all das, was sie für ihre Großmutter tat, sagten einiges über Ginas Persönlichkeit aus.
Seb verspürte den starken Wunsch, mehr Zeit mit ihr zu verbringen und alles über sie zu erfahren. Und er wollte sie lieben. Deutlich spürte er die Leidenschaft und Sinnlichkeit, die in ihr schlummerten und die er gern erkundet hätte – die Seite von Gina, die sie wegen der Verantwortung für ihre Großeltern unterdrückt hatte. Vielleicht würde es ihm gelingen, während ihrer verbleibenden Zeit auf Elba ihr Verlangen wieder zum Leben zu erwecken.
4. KAPITEL
Seb bedauerte es, als es schließlich an der Zeit war, das Restaurant zu verlassen. Er hätte sich gern noch länger mit Gina unterhalten, zum Beispiel bei einem Spaziergang am Hafen, wo Tamarisken wuchsen. Aber natürlich wollte sie nach Hause zu Maria, um die sie sich eine wenig Sorgen machte.
„Macht es Ihnen wirklich nichts aus?“, fragte sie, als er um die Rechnung gebeten hatte.
„Nein, natürlich nicht.“ Und das stimmte sogar, denn Seb fand es bewundernswert, wie sie sich um ihre Familie und ihre Freunde kümmerte. „Gina, was machen Sie da?“, fragte er, als sie ihr Portemonnaie aus der Handtasche nahm.
„Ich werde meinen Anteil bezahlen.“ Ihre Augen wurden groß, als er lächelnd eine Hand auf ihre legte.
„Das kommt gar nicht infrage“, widersprach Seb energisch. Als sie zögerte, strich er ihr über die zarte Wange. „Bitte erlauben Sie mir, Sie einzuladen.“
„Also gut“, stimmte sie widerstrebend zu.
Er führte ihre Hand an seinen Mund und hauchte einen Kuss auf ihre zarte Haut. „Danke, Gina“, flüsterte er und bemerkte, wie sie hörbar einatmete.
Auf der Rückfahrt fiel Seb ein, dass sie noch gar nicht darüber gesprochen hatten, warum Gina und Maria nach Elba gereist waren.
„Erzählen Sie mir doch, worum Ihre Großmutter den Besitzer der Villa bitten möchte“, schlug er vor und sah aus dem Augenwinkel, wie Gina nervös mit dem Saum ihrer Stola spielte. „Sie möchte also noch einmal an den Strand?“
„Ja.“ Gina seufzte schwer. „Aber sie kann unmöglich die Steinstufen bewältigen.“
Bevor sie sich weiter unterhalten konnten, waren sie angekommen. Seb stieg aus, öffnete die Beifahrertür und nahm Ginas Hand, denn er hatte das Bedürfnis, sie zu berühren und in seiner Nähe zu haben. Sanft führte er sie zur Veranda des Hauses, damit sie in Ruhe miteinander sprechen konnten. Im Mondlicht sah Seb, wie Gina niedergeschlagen und nachdenklich die Miene verzog.
„Warum ist es so wichtig, dass Maria noch einmal an den Strand kann?“, fragte er behutsam.
„Meine Großeltern haben sich etwas geschworen. Und ich habe versprochen, ihnen zu helfen“, begann Gina widerstrebend zu erzählen.
„Reden Sie weiter“, forderte Seb sie auf. Ihr Zögern irritierte ihn.
„Der Ort, an dem sie sich kennengelernt haben, hatte für die beiden immer eine
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