JULIA SOMMERLIEBE Band 21
wunderschönen Fliesenboden, der mit weichen Teppichen ausgelegt war, auf und ab. An der geschnitzten Decke über ihm hingen kunstvoll gearbeitete maurische Lampen. In den goldfarbenen Vitrinen mit den Einlegearbeiten in Silber und Perlmutt entdeckte Linda antike Bücher und Figürchen.
„Morgen sind Sie vielleicht schon wieder im Besitz Ihrer Papiere“, nahm er den Gesprächsfaden wieder auf. „Dann können Sie tun und lassen, was Sie wollen. Falls Ihre Handtasche und deren Inhalt jedoch nicht mehr ge funden werden, bleiben Sie hier als mein Gast im ca stillo .“
Seine entschiedene Art ließ Lindas Trotz wieder aufflammen. „Ich sehe keine Veranlassung …“
„Aber ich.“ Kurzerhand schnitt er ihr das Wort ab. „Zurzeit teilt mein Cousin Ramos sich das granja mit seiner Schwester. In diesem Zusammenhang gibt es gewisse Regeln, die eingehalten werden müssen. Falls Sie es vergessen haben, Sie sind hier in Spanien.“
„Wie könnte ich das vergessen.“ Vorsichtig berührte Linda die Beule an ihrer Schläfe und fragte sich, warum sie sich diesem arroganten Mann widersetzte, wenn es doch viel einfacher war, ihm seinen Willen zu lassen. „Ich … ich verstehe Ihre Logik nicht ganz, senor . Was macht es schon für einen Unterschied, ob Don Ramos bei seiner Schwester wohnt? Falls ich meine Papiere wiederbekomme, werde ich ohnehin im granja arbeiten und wohnen.“
„Ja, als ehrbare companera .“
Entgeistert sah Linda El Khalid durch die Wolke aus Rauch an, die sein dunkles Gesicht einhüllte, und ihr wurde plötzlich klar, was er hatte andeuten wollen. Eine alleinstehende junge Frau musste in Spanien auf ihren Ruf bedacht sein. Falls es notwendig sein würde, noch einmal eine Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigung zu beantragen, könnten die Behörden ihr dies verweigern, wenn sie an ihrem guten Ruf zweifelten.
„Aber weshalb ist es etwas anderes, wenn ich unter Ihrem Dach lebe?“, fragte sie. „Vielleicht, weil Sie verheiratet sind und Don Ramos Junggeselle?“
Entschieden blies er eine Rauchwolke aus. „Der Grund ist, dass ich hier das Sagen habe, senorita , und dass Ramos derjenige ist, der verheiratet ist, obwohl er von seiner Frau getrennt lebt.“
Schweigend nahm Linda seine Worte in sich auf, die ihr einen schmerzhaften Stich versetzten. Auch wenn sie es schon vermutet hatte, schien die Bestätigung ihrer Annahme ihr Schicksal zu besiegeln. Entweder akzeptierte sie El Khalids Gastfreundschaft, oder sie musste ihn bitten, ihr einen Rückflug nach England zu bezahlen. Ihre Tante würde triumphieren und darauf bestehen, dass sie die Idee, im Ausland zu arbeiten, ein für allemal vergaß.
In dem Schweigen, das wie der blaue Rauch der Zigarre im Raum hing und das nur vom leisen Summen der beiden Ventilatoren unterbrochen wurde, stellte Linda sich im Geiste die verdatterte Miene ihrer Tante vor, sollte sie Karim el Khalid jemals zu Gesicht bekommen.
„Na schön.“ Ihre Stimme klang rau vor Anspannung. „Ich werde tun, was Sie sagen.“
Sofort ging er zu dem Klingelknopf an der Wand und presste seinen Finger darauf. „Sie sehen erschöpft aus. Adoracion wird jetzt sicher Ihr Zimmer fertig haben. Ich empfehle Ihnen, bis heute Abend zu schlafen. Wenn Ihnen dann danach ist, kommen Sie zum Abendessen nach unten. Wir essen recht spät, wenn es schon ein bisschen kühler geworden ist.“
Für kurze Zeit würde Linda ihm gestatten, ihr Leben für sie zu regeln, weil sie im Moment zu erschöpft war. Aber sie konnte nur hoffen, dass ihre Handtasche gefunden wurde, damit es ihr möglich sein würde, die Stelle bei Dona Domaya anzutreten. El Khalids Aussagen über das spanische Protokoll schienen ihr reine Haarspalterei zu sein. Denn ihrer Meinung nach stellte er für den guten Ruf einer Frau in jeder Hinsicht eine weitaus größere Gefahr dar als der charmante Don Ramos, den sie im Royale Hotel getroffen hatte.
In seiner Gegenwart hatte sie sich nicht einen Augenblick so gefühlt wie jetzt bei El Khalid. So, als hätte sich ein dunkler Raubvogel auf sie gestürzt und hielte sie in seinen Krallen gefangen.
Leise schnappte sie nach Luft, als ihr bewusst wurde, dass dieser Mann sich über sie gebeugt und seine Hände auf ihre Schultern gelegt hatte. „Kommen Sie. Sonst schlafen Sie noch im Sitzen ein. Adoracion wird Ihnen das Zimmer zeigen.“ Obwohl sie Anstalten machte zurückzuweichen, hob er sie mit einer solchen Leichtigkeit in die Arme, dass ihr von so viel männlicher Kraft die Luft
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