JULIA SOMMERLIEBE Band 21
Zeiten willen?“
Diese Redewendung scheint es ihm angetan zu haben, dachte Marisa gereizt. Und seine Erinnerung an die „guten alten Zeiten“ schien sich von ihrer doch sehr zu unterscheiden.
Sie bemühte sich nicht, ihren Unmut zu verbergen. „Gut – auf einen Kaffee. Aber dann muss ich wirklich schlafen.“ Mit einer bösen Vorahnung nahm sie sein siegessicheres Lächeln wahr.
Dennoch zweifelte sie keinen Augenblick daran, dass sie Alan auf Abstand halten konnte. Schließlich war ihr das bisher immer gelungen, wenn ein Mann ihr eindeutige Angebote gemacht hatte. Selbst bei ihrem eigenen Ehemann. Mit einer Ausnahme … Die Erinnerung daran jagte ihr noch heute einen Schauer über den Rücken.
Aber diese Situationen sind nicht miteinander vergleichbar, sagte sie sich entschlossen. Sie würde schon dafür sorgen, dass Alan ging, sobald er den Kaffee getrunken hatte. Und es würde auch kein weiteres Treffen geben.
Als sie im Fahrstuhl standen, spürte Marisa, dass Alan fast unmerklich näher kam. Sie wich einen Schritt zurück, um den Abstand zwischen ihnen wieder zu vergrößern, und hoffte, er verstand den Hinweis.
Doch als sie vor ihrer Wohnungstür stand und den Schlüssel ins Schloss steckte, war er so dicht hinter ihr, dass sie seinen Atem in ihrem Haar spüren konnte. Mit Schwung öffnete sie die Tür und ging eilig durch den Flur ins Wohnzimmer.
Es war hell erleuchtet.
Sie war sich sicher, dass sie das Licht gelöscht hatte, ehe sie die Wohnung verlassen hatte. War jemand hier?
Als sie sah, wer sie dort erwartete, blieb sie so abrupt stehen, dass Alan fast mit ihr zusammenstieß.
Lorenzo Santangeli hatte sich lässig auf dem Sofa ausgestreckt und sein Jackett und die Krawatte über den Sessel geworfen. Die Knöpfe seines weißen Hemdes waren geöffnet und die Ärmel über seinen sonnengebräunten Unterarmen aufgekrempelt.
Auf dem niedrigen Couchtisch standen eine geöffnete Flasche Rotwein und zwei Gläser. Ein Glas war zur Hälfte mit der rubinroten Flüssigkeit gefüllt.
Während sie reglos in der Tür stand und ihn ungläubig anstarrte, lächelte er sie an. Bedächtig legte er sein Buch zur Seite und erhob sich.
„Maria Lisa“, sagte er sanft. „ Carissima. Endlich bist du da. Ich habe mir schon Sorgen gemacht.“
Ihre Kehle war wie zugeschnürt. Mit einer Stimme, die nicht ihr zu gehören schien, stammelte sie: „Lorenzo … ich … ich …“ Sie atmete tief durch und versuchte, sich zusammenzureißen. „Was tust du hier?“
„Ich wollte dich überraschen, Liebling.“ Seine Stimme war seidenweich. „Und wie ich sehe, ist mir das gelungen.“ Er trat auf sie zu, nahm ihre Hand und zog sie galant an seine Lippen, ehe sein Blick auf den Mann hinter Marisa fiel. „Willst du mir deinen Begleiter nicht vorstellen, damit ich mich bei ihm bedanken kann, dass er dich wohlbehalten nach Hause gebracht hat?“, sagte er, ohne dass sich sein Tonfall geändert hätte.
In der nun eintretenden Stille hörte sie, wie Alan schluckte. Irgendwie gelang es ihr, die Fassung zurückzugewinnen.
„Selbstverständlich“, erwiderte sie ruhig. „Das ist Alan Denison, ein alter Freund von mir, der gerade aus Hongkong zurückgekommen ist.“
Für einen winzigen Moment glaubte sie, einen Ausdruck des Erstaunens in Lorenzos golden schimmernden Augen entdeckt zu haben.
„Ah ja, ich erinnere mich“, sagte er höflich.
„Wir sind praktisch … zusammengestoßen“, erklärte Alan eine Spur zu hastig. „Auf der Straße, heute Morgen. Und ich habe Ihre … Ich habe Signora Santangeli gebeten, mit mir essen zu gehen.“
„Wie nett von Ihnen“, entgegnete Lorenzo.
Marisa wurde mit einem Mal bewusst, dass er noch immer ihre Hand festhielt. Und ihre innere Stimme warnte sie davor, sich jetzt von ihm zu lösen. Dieses Mal nicht.
Gleichzeitig fühlte sie sich unwohl dabei, ihn so nahe zu spüren. Sie nahm den unaufdringlichen, verführerischen Duft seines Rasierwassers wahr, und ihre Kehle war wie zugeschnürt, als unliebsame Erinnerungen an die Oberfläche drangen.
Alan wandte sich zur Tür um.
Wenn sie nicht so angespannt gewesen wäre, hätte Marisa die Situation sogar lustig finden können. Noch vor wenigen Minuten hatte Alan darauf bestanden, mit ihr einen Kaffee zu trinken, und sie hatte sich gewünscht, er würde gehen. Doch unter den gegebenen Umständen hätte sie ihn am liebsten gebeten zu bleiben.
Währenddessen stand Alan an der Tür. „Aber jetzt kann ich sie ja guten Gewissens allein
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