JULIA SOMMERLIEBE Band 21
einfordern.“
Was will er der Welt damit sagen, fragte Marisa sich wütend. Sie war so verletzt, dass sie die Kette, die wie ein Strick um ihren Hals zu liegen schien, am liebsten wieder in die Schatulle zurückgelegt hätte. Aber sie zwang sich, das Schmuckstück gelassen zu tragen, gemeinsam mit dem Verlobungsring – einem kunstvoll geschliffenen Rubin, umrahmt von funkelnden Diamanten.
Sie musste zugeben, dass Lorenzo wirklich großzügig war.
Doch dann kehrte der grausame Gedanke zurück, dass er sich damit nur ihre Zuneigung und, wie Julia es so brutal ausgedrückt hatte, das Recht auf ihren Körper erkaufte.
Diese Vorstellung schnürte ihr die Kehle zu – und dieses Gefühl wurde bedrückender, je näher der Tag der Hochzeit rückte.
Denn auch wenn er versprochen hatte, sie nicht anzurühren, würde irgendwann die Nacht kommen, in der er sich nicht länger in Geduld üben, sondern sein Recht einfordern würde. „Tag der Abrechnung“ hatte Julia diesen Moment genannt, und Marisa hatte Angst.
Er macht mir Angst …
Während sie neben ihm am Tisch saß, warf sie ihm einen verstohlenen Blick zu. Er unterhielt sich mit Freunden, die ihm gegenübersaßen, und unterstrich seine Worte mit eindrucksvollen Gesten. Sein Gesicht wurde von einem fröhlichen Lachen erhellt. Und mit einem Mal wurde ihr klar, dass sie, wenn sie ihm heute Abend zum ersten Mal begegnet wäre, seinem Charme und seiner Ausstrahlung verfallen wäre.
Der elegante Smoking, den er trug, betonte seine Attraktivität noch.
Und plötzlich kam ihr ein neuer, unwillkommener Gedanke: Sehr bald würde sie wissen, wie Lorenzo ohne Kleider aussah.
Ihr stockte der Atem, als eine Welle der Erregung ihren Körper durchströmte und ihr Herz in Flammen stehen ließ.
Als hätte er ihre Verwirrung gespürt, hatte Lorenzo sich ihr zugewandt. Mit hochgezogenen Brauen sah er sie fragend an. Ihre geröteten Wangen und glänzenden Augen waren ihm nicht entgangen.
Für den Bruchteil einer Sekunde schien die Welt um sie herum stillzustehen. Beide nahmen das Stimmengewirr und das Gelächter am Tisch nicht länger wahr, und ihre Blicke verschmolzen. Und dann bemerkte sie, wie sich in seinen Augen erst Erstaunen widerspiegelte und dann … O Gott … Er wusste es!
Voller Entsetzen wurde ihr klar, dass er ihre Gedanken erraten hatte, als wäre Ich frage mich, wie er wohl nackt aussieht auf ihre Stirn tätowiert.
Versonnen hatte er den Kopf zur Seite geneigt, und in seinen goldenen Augen tanzten Funken. Er verzog den Mund zu einem liebevoll frechen Lächeln. Unvermittelt ergriff er ihre Hand, an der sein Ring steckte, zog sie zu sich heran und küsste sanft ihre Fingerspitzen. Dann drehte er ihre Hand behutsam um und hauchte einen zärtlichen Kuss in ihre Handfläche.
Als sie das beifällige Murmeln am Tisch wahrnahm, vertiefte sich die Röte ihrer Wangen noch, denn ihr wurde klar, dass die liebevolle Geste nicht unbemerkt geblieben war.
Sie musste zugeben, dass sie sich selbst in diese peinliche Situation gebracht hatte. Mit einer möglichst würdevollen Bewegung entzog sie ihm die Hand. Ihr Herz pochte so heftig, dass sie befürchtete, man könnte es unter dem dünnen Stoff ihres eleganten Kleides sehen. Für die anderen Gäste war ihre Geste ein Ausdruck ihrer Schüchternheit und Unerfahrenheit – doch in ihr sah es anders aus. Verstört und wütend atmete sie durch.
Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis das Geburtstagsdinner endlich beendet war. Und während Lorenzo die letzten Gäste zur Tür brachte, nutzte Marisa die Gelegenheit, um ohne ein weiteres Wort in ihr Zimmer zu fliehen.
Julia ließ sich allerdings nicht so leicht abschütteln.
„Du scheinst dich ja doch für deinen zukünftigen Ehemann erwärmen zu können“, stichelte sie, während sie sich auf dem mit schwerem Brokat bezogenen Sofa vor dem breiten Fenster niederließ.
Marisa nahm die Perlenkette ab und legte sie vorsichtig in die Schatulle. „Der Eindruck täuscht.“
„Dann ist dir wirklich nicht zu helfen“, versetzte Julia unverblümt. „Lorenzo mag ja charmant sein, aber tief im Innern ist er willensstark und energisch. Und er wird es sich nicht bieten lassen, dass du Spielchen mit ihm spielst – dahinschmelzen in der einen Sekunde und in der nächsten zum Eisblock erstarren.“
„Vielen Dank für den Hinweis“, erwiderte Marisa höflich. „Ich werde daran denken.“
Sie wusste, dass sie an diesem Abend zu wenig Distanz gewahrt hatte. Doch das war ein Fehler
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