Julia Sommerliebe Band 22
gepackt hatte, ließ er sie wieder los. Ratlosigkeit lag in seinem Blick. „Du hast doch nicht wirklich Angst, dass ich dir wehtun könnte?“, fragte er leise. „Caroline?“
„Ich … weiß nicht.“ Sie drehte sich um und schlang die Arme um ihre Schultern. Trotz der sommerlichen Temperaturen fröstelte sie. Die Luft duftete nach Blumen und Meer, doch Caroline zitterte am ganzen Körper.
Nach einer endlosen Pause leerte Romano sein Glas in einem Zug und stellte es geräuschvoll auf den Tisch zurück. „Ich muss gehen“, sagte er distanziert.
Als sie einen Blick in seine Richtung riskierte, lag ein arroganter, spöttischer Zug auf seinen Lippen. Aus irgendeinem unerfindlichen Grund sank ihr der Mut. Was zum Teufel wollte sie eigentlich? Wollte sie von ihm zu sexueller Hingabe gezwungen werden? Oder von ihm verachtet werden? Gab es denn keine andere Möglichkeit? Sie wusste nicht, wer hier eigentlich das Drama inszenierte, sie oder Romano?
„Morgen ist Samstag. Ich bin im Büro, aber ich erwarte nicht von dir, dass du arbeitest.“ Er klang abweisend. Wieder empfand sie Enttäuschung. Genau wie vor ein paar Tagen, als er sich auf der Jacht von ihr abgewendet hatte. Wieder zog er sich von ihr zurück, und ihr Herz zog sich wie im Protest zusammen. „Nimm dir den Tag frei“, fügte er hinzu. „Geh einkaufen, an den Strand, wohin du willst. Tu, wonach dir der Sinn steht.“
„Danke.“ Sie konnte sich die Ironie nicht verkneifen.
„Kommst du heute Abend hier allein zurecht?“
„Natürlich. In England wohne ich allein mitten in London“, klärte sie ihn auf. „Auf dieser kleinen Insel werde ich wohl kaum Schaden nehmen.“
„In London bist du zu Hause. Du kennst die Sitten. Hier, als Ausländerin, bist du verletzlicher. Ich bin heute Nacht in meinem Apartment in Valletta. Meine Nummer liegt neben dem Telefon, falls du mich brauchst.“
„Selbst wenn ich mein engstes Kleid anzöge, meine höchsten Absätze und nachts allein durch Valletta liefe, würde mir nichts zustoßen.“ Sie wusste selbst nicht, warum sie das sagte.
Sein Gesicht wurde sehr ernst. „Halte dich von der Strait Street fern“, riet er ihr und ging. „Sonst könntest du unrecht behalten. Gute Nacht, Caroline.“
„Gute Nacht.“
Sie lauschte seinen Schritten, als er die Treppe hinabstieg und die Tür hinter sich zuschlug. Nach einer kurzen Weile sah sie ihn in Richtung Steg davongehen, einen großen, durchtrainierten Mann mit lässigem Gang, dem jede Frau im Umkreis mit Blicken Anerkennung zollte. Dann sprang er auf die Jacht und startete den Motor.
Caroline starrte ihm hinterher, in der Hoffnung, er möge sich einmal umdrehen. Doch er tat es nicht.
Erst als er schon außer Sichtweite war, fiel ihr ein, dass er ihr nicht gesagt hatte, wann sie morgen Abend in der Casa de Sciorto erwartet wurde.
Gut, sagte sie sich hitzig und ging in die Küche. Vielleicht hatte er ja seine Meinung geändert und wollte gar nicht mehr, dass sie kam. Hatte sie nicht genau das gewollt? Romanos Familiensitz in der mittelalterlichen Hügelstadt Mdina, der ‚Stillen Stadt‘, mochte romantisch klingen. Aber Caroline konnte bestens leben, ohne ihn gesehen zu haben. Je schneller sie abreiste, desto besser. Sobald die Messe vorüber war, konnte sie nach London zurückfliegen. Und dann würde sie auch nachts wieder schlafen können.
Sie trat auf die Terrasse hinaus und blickte aufs Meer. Wie schön sie es haben könnte, wenn sie sich nur nicht so über Romano ärgern würde. Wenn er nur nicht so einen Widerstreit in ihr entfachen würde. Die Luft duftete, und die leichte Brise spielte in Carolines Haar.
Es nützte alles nichts. Irgendwie musste sie mit dieser Situation fertigwerden. Sie atmete tief durch und ging in die Küche. Ihre Mutter hatte in weiser Voraussicht Kühl- und Vorratsschränke mit Köstlichkeiten gefüllt. Kochen hatte Caroline schon immer beruhigt. Auch in London nahm sie sich immer die Zeit, selbst wenn sie nach einem langen Arbeitstag spät und meistens sehr erschöpft nach Hause kam.
Das Schneiden von Gemüse und Kräutern entspannte sie. Nach all der Kopfarbeit war eine manuelle Tätigkeit einfach ein guter Kontrast. Auch diesmal wirkte die Ablenkung. Caroline putzte Tomaten, Gurke und Feldsalat, öffnete eine kleine Dose Mais und schnitt eine rote Zwiebel. Dann rührte sie das Dressing an und mischte alles. Im Schrank fand sie eine Packung Mandelkuchen für den Nachtisch.
Mit dieser ungewöhnlichen Mischung setzte sie
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