Julia Sommerliebe Band 22
nass in der Wanne lag. Anscheinend hatte die Krankheit nicht nur seinen Körper geschwächt, sondern auch seinen Geist.
Ob er ihr wohl sagen würde, wie er es gemeint hatte?
Als Gabby bemerkte, dass sein Blick auf ihrem Ausschnitt ruhte, ließ sie ihr Haar ins Gesicht fallen. Rafik sollte nicht sehen, wie rot sie geworden war.
„Das, was Sie jetzt anhaben, ist jedenfalls nicht dazu geeignet, um in Laderäumen von Lieferwagen umherzufahren. So ganz wohl scheinen Sie sich nicht darin zu fühlen … oder schämen Sie sich noch immer wegen vorhin?“, fragte er, etwas belustigt über die Möglichkeit. „Sollen wir uns darauf einigen, dass dieser … Zwischenfall nie stattgefunden hat?“
„Für mich war das kein Zwischenfall“, gab sie aufgebracht zurück. „Sagen Sie mir jetzt bitte, was das alles soll. Was wollen Sie von mir?“ Sicherlich nicht deinen Körper, Gabby. Vergiss es .
Rafik schüttelte den Kopf. „Zuerst müssen Sie etwas essen.“ Er zeigte auf den Tisch. Während sie sich angezogen hatte, war das kalte Essen durch neue, warme Gerichte ersetzt worden.
„Ich habe keinen Hunger.“ Ausgerechnet in diesem Moment machte sich ihr Magen vernehmlich bemerkbar.
Spöttisch lächelnd ging er zum Tisch und hob den Deckel einer der Schüsseln an. Ein aromatischer Duft stieg Gabby in die Nase, und augenblicklich lief ihr das Wasser im Mund zusammen.
„Setzen Sie sich.“
Gabby überlegte, ob sie sich weigern sollte, beschloss dann aber, dass es zu nichts führte, sich ihm zu widersetzen. Es war besser, ihn bei Laune zu halten, um so bald wie möglich zu erfahren, was sie tun musste, damit Paul freigelassen wurde. „Und was werden Sie tun? Mir beim Essen zusehen?“, fragte sie, während sie sich setzte.
„Wenn Sie nichts dagegen haben, werde ich mitessen“, sagte Rafik und nahm ebenfalls auf einem der niedrigen Diwane Platz.
„Wie lauschig! Es kommt mir fast so vor, als hätten wir ein Date.“ Sie füllte ihren Teller und begann zu essen – es war köstlich.
Doch dann kamen ihr Gewissensbisse. Während sie hier im Luxus schwelgte, jedenfalls vorübergehend, saß Paul bei Wasser und trocken Brot in einer Zelle.
„Ich weiß nicht, wie das bei Ihnen ist, aber ich kann mich beim Essen unterhalten.“
Wenn sie klar denken wollte, durfte sie Rafik nicht ansehen. Also ließ sie es bleiben. Ihr Blick war auf den Teller geheftet, als sie sich in geschäftsmäßigem Ton an ihn wandte. „Es wird wohl verhandelt, meinen Bruder zu fünfundzwanzig Jahren Haft zu verurteilen. Um ihn freizukaufen, ist mir kein Preis zu hoch. Hören Sie auf, so geheimnisvoll zu tun, und sagen Sie mir endlich, was Sie von mir wollen. Ist es vielleicht meine Seele?“ Sie lachte über ihren Witz, aber Rafik fiel nicht mit ein.
Das ist kein gutes Zeichen, dachte Gabby.
„Was halten Sie von diesem Land?“
„Ehrlich gesagt bin ich noch nicht dazu gekommen, mich umzusehen“, antwortete sie leicht gereizt.
„Ich werde Sie Gabriella nennen.“
„Und wie soll ich Sie anreden?“ Ihr wären einige Bezeichnungen für Rafik eingefallen, aber für die meisten davon hätte man sie wohl wegen Majestätsbeleidigung ins Gefängnis gesteckt.
„Mein Name“, sagte er und legte sich die Hand auf die Brust, „ist Rafik.“
„So kann ich Sie nicht nennen!“
Er sah sie verblüfft an. „Warum nicht?“
Gabby, der nichts anderes einfiel, als dass es ihr schlicht und einfach zu persönlich war, ihn mit dem Vornamen anzureden, überhörte die Frage. „Warum haben Sie mich hierher gebracht? Was soll das alles? Das Kleid, das Essen, das …“Sie hielt inne. Plötzlich wurde ihr klar, dass niemand auf der Welt wusste, wo sie war. Sie war praktisch gekidnappt worden und hatte es nicht einmal gemerkt.
„Ich habe dem Mann in der Botschaft gesagt …“ Sie suchte fieberhaft nach dem Namen. „Ich habe Mr Parker gesagt, dass ich ihn um sechs Uhr anrufen werde. Falls ich mich nicht melde, wird er kommen und mich abholen.“
„Tatsächlich? Als ich mit ihm gesprochen habe, hat er nichts davon gesagt.“
Sie riss die Augen auf. „Sie haben mit dem Mann von der Botschaft gesprochen und ihm mitgeteilt, dass ich hier bin?“ Gabby runzelte die Stirn. Als sie gegangen war, hatte sie dem bebrillten Diplomaten versprochen, nichts Unüberlegtes zu tun. „Haben Sie sich über mich beschwert?“
„Ja, ich habe mit Mr Parker gesprochen“, bestätigte Rafik. „Und nein, ich habe mich nicht über Sie beschwert.“
Gabby seufzte
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