Julia Sommerliebe Band 22
erleichtert. Sie wollte die wenigen Menschen, die auf Pauls Seite standen, nicht auch noch verstimmen.
„Als ich ihm berichtet habe, dass Sie hier sind, war er zunächst ein bisschen erschrocken“, sagte Rafik. „Er hatte den Eindruck gehabt, Sie seien froh darüber, dass er sich um Ihre Belange kümmert.“
Gabby zog die Nase kraus. „Na ja. Ich hatte nicht das Gefühl, dass er irgendetwas bewirken könnte. Er hat die ganze Zeit vom diplomatischen Weg geredet und gesagt, dass es alles seine Zeit bräuchte. Aber ich konnte nicht warten.“
Etwas in seinen tief liegenden Augen leuchtete auf. Während Gabby sich fragte, was das zu bedeuten haben könnte, sagte er: „Auch ich habe es eilig.“
Sie sah ihn skeptisch an. „Ach, ja?“
„Ja. Und – nur fürs Protokoll – das hier ist keine Entführung, Gabriella.“
Die Schamröte stieg ihr ins Gesicht. „Das habe ich auch nicht behauptet.“
„Aber Sie haben es gedacht. Die Tür ist offen.“ Er deutete auf die Flügeltür. „Zumindest steht es Ihnen frei, zu gehen, wann immer Sie wollen. Keine Schlösser, keine Wachen. Aber ich möchte Sie auch daran erinnern, dass Sie uns aufgesucht haben – oder, besser gesagt, meinen Vater. Übrigens ist das ein Paradebeispiel für den Sieg des Optimismus über die Vernunft.“
Frustriert biss Gabby die Zähne zusammen und rührte sich nicht. „Was hat das zu bedeuten? Ist das hier irgendein komisches Spiel, oder wollen Sie meinem Bruder wirklich helfen?“
„Das hängt ganz von Ihnen ab.“
„Was wollen Sie von mir, Rafik?“
„Sie sind Vorschullehrerin.“
Sie hob die Brauen. „Wie um alles in der Welt haben Sie das herausgefunden?“
Ohne ihre empörte Frage zu beantworten, fuhr er fort: „Und Sie unterhalten zurzeit keinerlei Liebesbeziehung. Genau genommen hatten Sie auch früher keine nennenswerten Beziehungen. Obwohl es mir schwerfällt, das zu glauben.“ Wie auch immer; wenn diese Information wahr war, gab es einen möglichen Hinderungsgrund weniger.
Denn natürlich war die Frau für einen zukünftigen König im Idealfall Jungfrau. Auch wenn sein Vater, der derlei Dingen eine große Bedeutung zukommen ließ, anerkannte, dass die gegenwärtige Moral dies zwar als wünschenswert, aber nicht als notwendig betrachtete.
Wieder verfärbte sich Gabbys Gesicht tiefrot. „Wo haben Sie denn diese Informationen her? Wie …?“
„Seien Sie doch nicht so naiv! Während Sie sich ausgeruht haben, habe ich mich mit dem Fall Ihres Bruders vertraut gemacht.“
Sie seufzte erleichtert. „Also wissen Sie, dass er unschuldig ist?“
„Ich habe keine Ahnung.“
Sie legte ihre Gabel aus der Hand und sah ihn mit zusammengekniffenen Augen an. „Aber ich weiß es.“
„Die Frage, ob Ihr Bruder unschuldig ist, steht jetzt nicht zur Diskussion.“
Gabby sah ihn verächtlich an. „Sie interessieren sich nicht im Geringsten für Gerechtigkeit, oder?“
„Ich habe nicht die Angewohnheit, mich in die Rechtsprechung meines Landes einzumischen. Allerdings wäre ich in diesem Fall bereit, eine Ausnahme zu machen.“
Sie verzog den Mund. „Ja, ich habe schon mitbekommen, dass Sie ein Opportunist sind. Aber was wollen Sie von mir?
Sie sah, wie ihn der Schreck über ihre Respektlosigkeit erstarren ließ. Mit vorgerecktem Kinn und vor der Brust verschränkten Armen sah sie ihm in die Augen. Sie würde keinen Respekt zeigen, den sie nicht empfand.
„Sie wollen, dass Ihr Bruder aus dem Gefängnis entlassen und sein Name reingewaschen wird. Und ich will, dass mein Bruder heiratet.“
Gabby konnte sich nicht erklären, was das eine mit dem anderen zu tun haben könnte. Sie schüttelte den Kopf und strich sich dabei eine Strähne aus dem Gesicht. „Was hat das mit mir zu tun?“
„Ich werde Ihnen helfen, Ihr Ziel zu erreichen, wenn Sie mir dabei helfen, mein Ziel zu erreichen.“
„Aber wie kann ich Ihnen dabei helfen? Soll ich mit der Freundin Ihres Bruders sprechen?“
„Mein Bruder hat keine Freundin. Nun ja, genau genommen hat er mehrere Freundinnen, aber keine davon ist für die Rolle als Gemahlin des zukünftigen Königs von Zantara geeignet.“
Gabby bemühte sich, Rafik zu folgen, aber etwas erschien ihr unlogisch. „Aber Sie sind doch der zukünftige König von Zantara.“
Die Frage schien ihn nervös zu machen, doch er ging nicht darauf ein und lenkte Gabby erfolgreich davon ab, indem er erklärte: „Ich habe beschlossen, dass Sie eine passende Braut für meinen Bruder wären.“
Gabby
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