Julia Sommerliebe Band 23
Platz von denen war ein ideales Versteck für eine aufgebrachte junge Frau.
Na ja, wo auch immer sie in diesem Moment steckte, irgendwann würde sie herkommen müssen. Er hatte schon unbequemer übernachtet. Verglichen mit dem Dschungel oder der Wüste war selbst ein Hotelflur paradiesisch.
Michael beugte sich noch einmal vor. „Ich gehe nicht weg, Abby. Wenn du jetzt nicht mit mir reden willst, ist das okay, ich respektiere das. Aber wir werden früher oder später miteinander sprechen, darauf kannst du dich verlassen. Und deshalb bleibe ich hier“, sagte er laut genug, um im Zimmer verstanden zu werden.
Dann stützte er sich mit dem Rücken gegen die Wand neben der Tür und ließ sich langsam auf dem Fußboden nieder. Er legte einen Arm auf die Knie, den anderen gegen die Türe, damit er aufwachen würde, wenn Abigail das Zimmer verließ.
Er warf einen Blick auf die Uhr, schloss dann die Augen und versuchte, sich etwas zu entspannen.
Abby wusste nicht mehr, wie oft sie in der letzten Viertelstunde durch den Spion in der Tür ihres Hotelzimmers geblickt hatte.
Von Michael war nichts zu sehen. Er hatte zwar gesagt, dass er nicht gehen würde, aber offenbar hatte er es sich anders überlegt.
Sie wusste nicht, ob sie darüber enttäuscht oder erleichtert sein sollte.
Was als schöner Tag mit ihm und seinen Eltern begonnen hatte, war zu einem einzigen Albtraum geworden.
Michael hatte sie verführt und mit ihr geschlafen, obwohl er die ganze Zeit eine Freundin gehabt hatte. Das durfte nicht wahr sein. Abigail fühlte sich, als wäre sie in einen schwarzen, bodenlosen Abgrund gestürzt.
Wenn sie objektiv darüber nachdachte, glaubte sie ihm sogar, dass es keine feste Beziehung gewesen war. Jedenfalls nicht für ihn.
Aber Diana schien das anders zu sehen, denn sonst hätte sie nicht so heftig auf ihre vermeintliche Rivalin reagiert. Sie musste ähnlich vor den Kopf gestoßen sein wie sie selbst.
Abigail fragte sich, was Michael wohl danach zu Diana gesagt hatte. Und vor allem fragte sie sich, was er jetzt zu ihr sagen wollte.
Sie wollte es sich kaum eingestehen, aber sie hatte panische Angst, dass er die Sache mit ihnen einfach beenden würde. Sie wären „sich nähergekommen“, hatte Michael es genannt. Wenn das wirklich seine Meinung war, dann wäre es das Ende für Abigail. Sie hatte dann so viel mehr in diese Kurzbeziehung investiert: tiefe Gefühle und Zukunftsträume. Das musste sie sich eingestehen, wenn sie ehrlich zu sich war.
Nach ihrem Urlaub würde nichts mehr so sein, wie es mal war. Ein Leben ohne Freude würde auf sie warten, ohne Ziel. Es war kaum zu glauben, dass eine Woche einen Menschen so verändern konnte!
Vor dieser Reise war sie auch ganz zufrieden gewesen.
Aber seitdem dieser Mann auf sie zugejoggt war, war alles anders.
Bitter stieg Verzweiflung in Abigail hoch. Sie schluckte und versuchte, sich zu beruhigen. Was sollte sie jetzt tun?
Gleich nach der Rückkehr ins Hotel hatte sie versucht, Rachel anzurufen, aber sie hatte nur die Mailbox erreicht. Sie hatte ihre Freundin eindringlich gebeten, sich so schnell wie möglich bei ihr zu melden, aber abgesehen davon musste sie mit dieser Katastrophe allein fertigwerden.
Dass das alles Rachels Schuld war, weil sie nicht mit nach Florida geflogen war, tröstete Abigail kein bisschen – und war ja auch nicht wahr, sondern nur ein billiger Weg, ihre übertriebenen Gefühle für Michael zu rechtfertigen.
Sie war gerade rastlos umhergegangen, als Michael das erste Mal an die Zimmertür geklopft hatte. Wäre sie ihrem Gefühl gefolgt, hätte sie ihm sofort geöffnet. Irgendwann musste er ihr erklären, warum er ihr nichts von Diana – und Diana nichts von ihr – erzählt hatte.
Vielleicht würde es ihm gelingen, den Schmerz und die Verwirrung der letzten Stunden etwas zu lindern.
Aber der Verstand riet ihr, sich nicht darauf zu verlassen.
Es war einfach, wie man immer sagte: Männer gaben nicht so viel auf Intimitäten, sie ließen sie kalt. Es war ihre eigene Schuld. Sie hatte sich einfach zu sehr auf diesen Urlaubsflirt eingelassen.
Und damit würde sie schon fertigwerden. Sie würde den Urlaub nicht abbrechen – den Triumph gönnte sie dem Mann nicht. Sie würde keinen Tag früher nach Ohio zurückfliegen. Und dort würde sie so weiterleben, wie sie es vor Michael getan hatte.
Und irgendwann würde sie ihn vergessen. Hoffentlich.
Eine halbe Stunde später war Abigail kein bisschen ruhiger, obwohl sie sich ständig gut
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