Julia Sommerliebe Band 24
Harry setzte sich in einen Stuhl neben sie und deutete auf die spektakuläre Aussicht. „Ich dachte, wir trinken hier unseren Tee, bevor ich dir das Haus und die Stadt zeige. Wir können später in einem Restaurant essen oder hierher zurückkommen. Ketut ist ein großartiger Koch.“
Eigentlich stand Bonnie nicht der Sinn nach einem Restaurant und vielen Menschen, aber es war vermutlich die unverfängliche Alternative, obwohl sie sich tief im Inneren danach sehnte, mit Harry alleine zu sein. Zu gerne wollte sie ihn verstehen, seine selbst gewählte Einsamkeit und die Traurigkeit, die er vor der Welt verbarg. Er hatte sich ihr bereits ein Stück geöffnet, und sie sehnte sich danach, ihm noch näher zu kommen. Gleichzeitig wusste sie, dass alles, was sie über ihn erfahren mochte, den Abschied umso schwerer machen würde.
Sie musste wenigstens versuchen, Distanz zu wahren. „Wir können gerne ausgehen. In Ubud gibt es ja jede Menge Restaurants. Ich bin da ganz unkompliziert.“
„Bist du nicht.“ Harry sah, wie sie irritiert die Stirn runzelte. „Aber du kannst nichts dafür. Ich finde es einfach schwierig, dich einzuschätzen. Oder ich bin aus der Übung. Wie auch immer: Wenn es dir nichts ausmacht, lass uns zum Essen hierbleiben. Ketut liebt es, für unsere Gäste zu kochen, und wir können auf dem Rückweg immer noch in Ubud anhalten und die Stadt besichtigen.“
Bonnie überlegte. Die Entscheidung fiel ihr nicht leicht, schon gar nicht, wenn sie so dicht neben ihm saß, dass sie ihn geradezu körperlich spüren konnte. Die Luft zwischen ihnen schien zu knistern, als ihr die Intimität der Situation bewusst wurde. Alleine mit einem fremden Mann in einem fremden Land.
Abgesehen von Ketut, der in diesem Augenblick mit einer Kanne frischem Ingwertee und einem saftigen Getreidekuchen zurückkehrte, beides vor ihnen abstellte und lautlos wieder verschwand.
Beherzt griff Bonnie nach einem Stück des üppigen Gebäcks, um ihre Verlegenheit zu überspielen. „Nach diesem Kuchen brauche ich vermutlich kein Abendessen mehr.“
„Dabei habe ich mir vorgenommen, dich noch ein bisschen aufzupäppeln, bevor du ins Flugzeug steigst.“ Harrys Blick blieb an ihren Lippen hängen. Sie wünschte, er würde woanders hinsehen, und zwang sich, an ihre bevorstehende Abreise zu denken. Jetzt berührte sein Knie tatsächlich ihres. Durch den Stoff seiner Jeans spürte sie seinen warmen Körper. Ihr wurde gleichzeitig heiß und kalt.
Dann trafen sich ihre Blicke, und die Zeit schien stillzustehen. Es war, als teilten sie ein Geheimnis miteinander. Was für ein lächerlicher Gedanke . Außer der Erinnerung an diesen Tag hatten sie rein gar nichts gemeinsam.
Bonnie ließ ihren Blick langsam nach unten wandern. Seine vollen, sinnlich geschwungenen Lippen hatten sie schon in Jimbaran in ihren Bann gezogen. Das Blut stieg ihr in die Wangen, und wie in Trance ließ sie zu, dass er aufstand und sie sanft an sich zog, bis sich ihre Hüften berührten.
Harry sah ihr tief in die Augen, sie schien in seinem Blick zu versinken.
„Ich würde dich gerne küssen“, murmelte er.
Ihr Herz setzte einen Schlag aus, um dann mit doppelter Geschwindigkeit zu klopfen. „Warum?“
Seine Augen waren so dunkelblau wie das Meer nach dem Sonnenuntergang. „Weil ich glaube, dass es uns beiden gefallen würde.“
Oh ja.
Er kam mit dem Gesicht immer näher zu ihr, und Bonnie schloss die Augen. Sie wollte nichts mehr sehen, sondern ihn einfach nur spüren. Seine weichen Lippen auf ihren.
Nach Jeremy hatte sie keinen Mann mehr geküsst. Das Gefühl war unbeschreiblich. Sein Kuss war zart und leidenschaftlich, fordernd und friedlich zugleich. Sie fühlte sich, als wäre sie endlich dort angekommen, wo sie hingehörte: zu ihm, in seine Arme, in dieses wunderbare Haus mit dem prächtigen Garten.
Harry überließ es ihr, das Tempo zu bestimmen. Langsam öffnete sie den Mund und tastete sich mit der Zungenspitze vor. Aus seiner Kehle drang ein leises Seufzen, und er zog sie noch fester an sich. Zögerlich legte Bonnie eine Hand um seinen Nacken.
Ihr Kuss wurde immer intensiver. Er berührte ihr Herz und ihre Seele, und sie verspürte ein ungekanntes Glücksgefühl.
Doch mit einem Mal traten ihr Tränen in die Augen, und ihre Freude verwandelte sich in Verzweiflung, als ihr einfiel, dass dieser Moment nicht von Dauer sein würde.
Als Harry sich sanft von ihr löste, fühlte sie sich leer, als sei ihr ein Teil ihrer eigenen Seele genommen
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