Julia Sommerliebe Band 24
mit ihnen. Dieses kleine Ritual bereitete ihm jedes Mal Vergnügen.
Dann lag das Dorf hinter ihnen, und sie fuhren wieder an schier endlos wirkenden Reisfeldern vorbei. „Die Arbeit auf den Feldern muss unglaublich hart sein“, kommentierte Bonnie. Anscheinend wollte sie ihr vorheriges Gespräch nicht vertiefen. Harry fühlte sich vor den Kopf gestoßen. Aber gut. Morgen würde sie abreisen.
Einem spontanen Impuls folgend, bog er auf einen kleinen Trampelpfad ab. „Komm mit. Wir fahren ein Stück zwischen den Feldern hindurch.“
Nach einigen recht holprigen Metern führte der Weg auf eine kleinere asphaltierte Straße, welche die einzelnen Reisfelder voneinander trennte. Einige der Männer, die in den Feldern arbeiteten, riefen Harry einen Gruß zu. Man schien ihn in der ganzen Gegend zu kennen.
Bonnie hatte auf dem schmalen Weg Mühe, ihr Fahrrad im Gleichgewicht zu halten. Wenigstens lenkte sie das von ihren Gedanken an Harry ab. Und schließlich war es nicht ihre Aufgabe, ihn zu einem besseren Menschen zu erziehen. Lieber würde sie den Sonnenschein genießen. Entschlossen reckte sie ihr Kinn in den Fahrtwind.
Harry war froh, dass sich ihre Laune wieder gebessert hatte. Immerhin war sie nicht nachtragend, und der kleine Umweg schien ihr Spaß zu machen. Ihre Begeisterung wirkte ansteckend und verscheuchte auch den letzten seiner düsteren Gedanken.
Vielleicht war es wirklich an der Zeit, sich wieder unter Menschen zu wagen. Wobei er nicht nur nach Bali gekommen war, um sich vor der Welt zu verstecken. Die Insel war sein zweites Zuhause und ein Ort, an dem seine Seele Ruhe finden konnte. Plötzlich verspürte er den Wunsch, Bonnie nach Ubud mitzunehmen.
Ohne lange nachzudenken schloss er zu ihr auf. „Würdest du heute Abend mit mir zum Essen ausgehen? Ich bringe dich danach zurück nach Kuta. Wenn du willst, fahre ich dich morgen auch zum Flughafen.“ Die Worte sprudelten nur so aus ihm heraus. Was war schon dabei? In weniger als vierundzwanzig Stunden würde sie ohnehin abreisen.
Bonnie war versucht, Ja zu sagen. Andererseits würde jede weitere Minute, die sie mit diesem rätselhaften, launischen Mann verbrachte, den Abschied noch schwerer machen.
Dann dachte sie an den Abend in Jimbaran, an den Strand und an die vielen Leute. Vielleicht könnten sie diesmal einen etwas ruhigeren Ort wählen. Die Vorstellung war ebenso verlockend wie unvernünftig. „Warum nicht“, hörte sie sich sagen. „Zum Flughafen komme ich dann schon alleine.“
„Wie du möchtest. Dann hole ich dich heute Abend im Hotel ab. Wenn du willst, zeige ich dir Ubud, wo sich unser Haus befindet. Mit dem Auto sind wir in einer Stunde dort.“
Bonnie zögerte. Sie war im Begriff, sich einem Mann anzuvertrauen, den sie kaum kannte. In Ubud könnte sie sich nicht so einfach ein Taxi rufen wie in Jimbaran, falls ihr die Situation unangenehm wurde.
Dann warf sie ihre Bedenken über Bord. „Ist das nicht ziemlich weit, nur für ein Abendessen?“
„Ich würde dir gerne das Haus meiner Mutter zeigen. Anschließend könnten wir uns eine Kecak-Vorstellung ansehen. Das ist ein traditionelles balinesisches Tanztheater. Oder wir essen ganz gemütlich bei uns auf der Terrasse.“
Dieses Angebot konnte Bonnie unmöglich ablehnen. Ihre Neugier war geweckt. Außerdem wollte sie nicht, dass ihr gemeinsamer Tag schon zu Ende ging. Bald wäre der ganze Urlaub vorbei. Was wog schon die Stimme der Vernunft gegen die Möglichkeit, mehr über den geheimnisvollen Harry St Clair zu erfahren?
5. KAPITEL
Am späten Nachmittag machten sie sich auf den Weg durch den dichten Verkehr. Hunderte von Motorrädern schlängelten sich kreuz und quer über die Straße und transportierten allenfalls notdürftig befestigte Lasten. Es sah nicht ungefährlich aus, aber die Fahrer wirkten vollkommen selbstsicher und gelassen.
Auch Harry schien unbeeindruckt von dem Chaos auf der Straße. Lässig saß er hinter dem Steuer, als hätten sie alle Zeit der Welt. Ganz anders als Jeremy, der immer getrieben wirkte und stets seine Karriere im Blick hatte.
Kein Wunder, dass sie sich zu Harry hingezogen fühlte. Er wirkte so ausgeglichen und frei von Sorge, abgesehen von dem frühen und offenbar tragischen Tod seiner Frau. Bonnie hatte ihn nie gefragt, ob er in einer neuen Beziehung lebte, hielt es aber für unwahrscheinlich. Für den Moment schien er sich selbst genug zu sein.
Genau das machte ihn attraktiv, allen inneren Warnrufen zum Trotz.
„Macht dir der
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