Julia Sommerliebe Band 24
Schweiß lief ihr den Rücken hinunter. Sie hoffte nur, dass sich Harry nicht blicken lassen und ihr den Abschied noch schwerer machen würde.
Aus den Augenwinkeln registrierte sie eine Bewegung im Wasser, die sie nicht einordnen konnte. Bonnie ließ ihr Buch sinken. Vermutlich war es ein Spielzeug oder der Beinschlag eines Schwimmers gewesen. Doch die Sache ließ ihr keine Ruhe. Sie trat an den Rand des Pools und ließ ihren Blick über die Wasseroberfläche schweifen.
Da erkannte sie den Schatten eines Körpers auf dem Grund des Beckens. Ohne nachzudenken tauchte Bonnie kopfüber in den Pool. Der schrille Schrei einer Frau war das Letzte, was sie hörte, bevor das Wasser über ihr zusammenschlug.
Als sie wenige Sekunden später mit dem leblosen kleinen Mädchen im Arm auftauchte, hatten sich zahlreiche andere Badegäste um den Pool versammelt. Hilfreiche Hände streckten sich ihr entgegen und zogen erst das Kind und dann Bonnie selbst aus dem Wasser.
„Bitte rufen Sie einen Rettungswagen!“ Die Frau, die ihr das Kind abgenommen hatte, nickte verstört. Sie schien mit der Situation überfordert zu sein. Panik flackerte in ihren Augen, als sie den kleinen Körper zurück in Bonnies Arme legte und eilig davonlief.
Bonnie blickte sich nach weiteren Helfern um. Einen Moment lang vermeinte sie Harry in der Menge zu entdecken, doch das musste reines Wunschdenken sein.
Sie zwang sich, ruhig zu bleiben, ließ das Mädchen vorsichtig zu Boden gleiten und begann umgehend mit einer Mund-zu-Mund-Beatmung. Nach zwei kurzen Atemstößen setzte sie zur Herzdruckmassage an. Es war nicht einfach, die Wiederbelebungsmaßnahmen alleine durchzuführen, aber ihr blieb nichts anderes übrig.
Endlich trat ein älterer Herr aus der gaffenden Menge hervor und kniete sich neben sie. „Sagen Sie mir, was ich tun kann.“ Seine Hände zitterten.
„Kennen Sie sich mit Mund-zu-Mund-Beatmung aus? Damit würden Sie mir sehr helfen. Warten Sie, ich zeige es Ihnen.“ Sie wechselte wieder die Position und demonstrierte die Atemspende. Der Brustkorb des Kindes hob und senkte sich, doch dann lag es wieder vollkommen leblos da. „Ist kein Arzt anwesend?“ Verzweifelt musterte Bonnie die Umstehenden. Dann begann sie laut zu zählen, während sie mit der Herzmassage fortfuhr.
„Achtundzwanzig, neunundzwanzig, dreißig.“ Sie hielt inne und beatmete das Kind erneut. „Meinen Sie, Sie kriegen das hin?“, fragte sie ihren Helfer.
Die Augen des alten Mannes füllten sich mit Tränen. „Ich glaube nicht, dass ich das kann.“
„Dann behalten Sie bitte die Uhr für mich im Auge.“ Unbeirrt fuhr sie mit ihren Wiederbelebungsmaßnahmen fort.
Harry wusste, dass er ihr helfen sollte, aber er stand da wie gelähmt. Erst als er sah, wie der alte Mann den Kopf schüttelte und Bonnie sich verzweifelt umblickte, gelang es ihm, sich aus seiner Erstarrung zu lösen. Entschlossen bahnte er sich einen Weg durch die Menge, jeder Schritt ein Kampf gegen seine Angst – und gegen das Bild eines anderen Babys, das er nicht hatte retten können. Hoffentlich kam er diesmal nicht zu spät.
Bonnie wusste nicht, wie ihr geschah, als tatsächlich Harry neben ihr auftauchte. „Lass mich die Herzmassage übernehmen. Keine Sorge, ich weiß, was ich tue.“
Schon begann er mit den Kompressionen. Bonnie erkannte sofort, dass hier ein Experte am Werk war, was sofort einige Fragen aufwarf. Doch jetzt war nicht die Zeit, ihn zur Rede zu stellen. Alles, was zählte, war das Leben des Kindes. Bonnie fixierte Harrys Hände, die den kleinen Brustkorb massierten. Sie musste diesen Händen vertrauen. Bitte, Gott, lass die Kleine leben.
Zwei Atemzüge später setzte sie sich auf. „Ich vermute, du hast eine medizinische Ausbildung?“
„Ich bin Arzt“, sagte er knapp. „Weißt du, wie lange sie unter Wasser war?“
„Höchstens anderthalb Minuten.“ Schweigend fuhren sie fort. Dreißig Kompressionen in einer halben Minute. Zwei Atemstöße. Dann das Ganze von vorne.
„Komm schon“, murmelte Harry. Und tatsächlich: Nach einer weiteren quälend langen Minute begann das Mädchen zu blinzeln, dann zu husten und schließlich leise zu weinen.
Bonnie fühlte ein Schluchzen in ihrer eigenen Kehle aufsteigen. Ihre Tränen mischten sich mit dem Poolwasser, das ihr aus den Haaren ins Gesicht tropfte. Auch Harry stand die Erleichterung ins Gesicht geschrieben. Er brachte das Mädchen in die stabile Seitenlage und atmete tief aus.
Bonnie wich unwillkürlich ein Stück
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