Julia Timoschenko - die autorisierte Biografie
seines Landes unter persönlicher Kontrolle gehabt zu haben.
Wie groß das persönliche Vermögen ist, das Julia Timoschenko in den drei Jahren der kurzen, aber stürmischen Geschichte von JeESU zusammengerafft hat, wissen wir nicht. Die Schätzungen der Medien sind widersprüchlich und zweifelhaft. Sie reichen von 2,5 Milliarden Dollar, die ukrainische Quellen Ende der Neunzigerjahre nannten, bis zu sechs Milliarden Pfund, von denen die Londoner Times im Jahre 2005 schrieb. Offizielle Informationen gibt es nicht. Weder die Listen des amerikanischen Magazins Forbes , die die größten Privatvermögen auf der Welt enthalten, noch die der polnischen Wprost für Osteuropa erwähnen Julia Timoschenkos Namen auch nur ein einziges Mal. Jeder weiß nur, dass sie märchenhaft reich sein muss.
Zugleich zeigte sich, dass in den drei Jahren, da sie dem Konzern JeESU vorstand, Geld eine immer geringere Rolle für sie spielte. Davon hatte sie nun genug, und ein weiteres Anwachsen ihres Vermögens konnte ihre Stellung nicht mehr entscheidend verändern. Irgendwo hier verläuft offenbar die Grenze, die einen echten Oligarchen von den erfolgreichsten Unternehmern unterscheidet. Du bist nach wie vor bereit, am Spieltisch der postsowjetischen Wirtschaft dein Vermögen zu riskieren, aber deine Motive sind andere geworden. Jetzt steht die Leidenschaft des Spielers im Vordergrund, der aufs Ganze geht. Ein Viertel der Volkswirtschaft pulsiert in deiner Hand. Von dem Mädchen aus dem »Haus des Taxifahrers« hängen in der Ukraine zwei Millionen Arbeitsplätze ab. Du bist Bauherrin, Architektin, Schöpferin.
Siebtes Kapitel
Unangreifbar werden
Ihr offizielles Debüt in der Politik gab Julia Timoschenko im Dezember 1996. Formal gesehen war es ein glänzender Auftritt. Bei den Nachwahlen zur Obersten Rada, dem ukrainischen Parlament, im Wahlkreis Bobrinez, Gebiet Kirowograd, trat Julia Timoschenko an und erhielt schwindelerregende 92,3 Prozent der Stimmen. Das war ein Rekord in der Geschichte der freien Ukraine.
Die Zahl und das Datum sollte man sich merken.
Wenn man Politik allerdings als einen Kampf von Programmen und Ideologien sieht, dann stand Julia ihr damals noch sehr fern. Gründe, in die Oberste Rada zu wollen, gab es für sie viele, aber eine Politikerlaufbahn strebte sie nicht an. Das Ganze war für sie eher eine kostspielige, wenn auch unbedingt notwendige geschäftliche Investition.
Den Weg ins Parlament ebnete ihr die Angst.
In der Ukraine kann jeder Unternehmer, selbst ein Oligarch, Bürgermeister, Gouverneur oder Minister hinter Gitter kommen. Binnen eines Monats, einer Woche oder eines Tages – das hängt vom jeweiligen Staatsanwalt ab. Im gesamten postsowjetischen Raum spielen die Staatsanwaltschaften eine ganz eigene Rolle. Sie werden gern zur Lösung der verschiedenartigsten Probleme ihrer Auftraggeber benutzt – ob es sich nun um Politiker oder Geschäftsleute handelt. Jeder lästige Konkurrent kann mit ihrer Hilfe aus dem Weg geräumt werden.
Bei Abgeordneten ist das schwieriger. Sie genießen Immunität. Wenn einer aus ihrer Mitte gesiebte Luft atmen soll, dann ist das für die Staatsanwaltschaft nur unter Schwierigkeiten zu bewerkstelligen. Zunächst muss beim Parlament der Antrag gestellt werden, einen Abgeordneten strafrechtlich verfolgen zu dürfen. Es ist zu beweisen, dass er eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellt. Aber selbst das reicht unter Umständen nicht aus. Abgeordnete neigen dazu, sich gegenseitig zu decken. Da jedem Derartiges passieren kann, lehnen sie den Antrag des Staatsanwalts ab, und der Betreffende bleibt in Freiheit. Solche Fälle hat es in den Parlamenten der verschiedenen postsowjetischen Staaten immer wieder gegeben. In Russland hat zum Beispiel ein echter Bandit und Mörder, dessen »Heldentaten« alle Abgeordneten kannten, lange Zeit völlig unbehelligt in der Staatsduma gesessen. Seine Abgeordnetenkollegen ließen ihn nicht fallen. Seine Immunität war erst dahin, als rachsüchtige Ex-Komplizen mit ihm abrechneten. Sie entführten ihn aus einem Restaurant und erschossen ihn in einem Wald bei Moskau.
Julia Timoschenko glaubte an ihren Stern. Sie ist tief überzeugt, etwas Besonderes zu sein. (»Man möchte sich ja nicht gerade selbst loben, aber etwas Schlechtes zu äußern, ist vollends unmöglich.«) Doch auch ihr Selbsterhaltungstrieb ist gut entwickelt. Sie weiß, wie schnell man im Gefängnis landen kann.
Als dann für den Wahlkreis Bobrinez eine Nachwahl zur
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