Julia Timoschenko - die autorisierte Biografie
Firmen kooperierten, für diese Rolle ausgewählt. Wjachirew und seine Stellvertreter sandten viermal offizielle Schreiben an Präsident Kutschma und Ministerpräsident Lasarenko, in denen sie sich für »Intergas« verwendeten. Lasarenko, der den Präsidenten hinter sich wusste, war nicht zu erschüttern und lehnte viermal ab. Am Ende setzte er sich durch.
Mit der Hilfe von Julia Timoschenko.
Von ihrer ersten Begegnung mit Wjachirew hing alles ab, denn eine zweite würde es nicht geben. Für längeren Artilleriebeschuss oder psychologische Tricks hatte die Präsidentin von JeESU keine Zeit. Sie musste ein einfaches, wirksames Mittel finden, um den Mann im Sturm zu erobern. Das gelang ihr. Zum Gespräch mit ihm erschien die 36-jährige Julia Timoschenko in Minirock und hohen Stiefeln.
Jahre später sollte sie befriedigt feststellen: »Ich war damals jünger und mochte solche Kleidung. Wjachirew hat sich bestimmt gewundert und gefragt, ob man von einer Person, die sich so extravagant kleidet, etwas Seriöses erwarten kann. Er hat mich mit väterlicher Ironie betrachtet, aber den Brief aufmerksam gelesen, in dem ich ihm einen neuen Plan der Verrechnungen für russisches Gas vorschlug. Am Ende hat er ihn unterschrieben. Ein halbes Jahr später war ich wieder bei ihm. Unser Plan funktionierte, und mit seiner Hilfe hatte JeESU etwas geschafft, das zuvor keinem Ministerpräsidenten der Ukraine gelungen war: Das russische Gas wurde jetzt bezahlt. Zu dem zweiten Treffen machte ich mich zurecht wie eine Komsomolzin der Sowjetzeit. Fast hätte ich mir ein Halstuch umgebunden. Rem Wjachirew stellte mich seinen Kollegen vor – respektablen, erfahrenen Männern, die seinerzeit die sowjetische Gasindustrie aufgebaut hatten. Dabei drückte er mir demonstrativ die Hand und bekannte offen, er habe vor einem halben Jahr nicht geglaubt, dass seine Unterschrift auf meinem Brief derartige Früchte tragen könnte.«
Bald ging Julia Timoschenko bei Rem Wjachirew ein und aus. Schwierige Fragen regelte sie direkt mit ihm. Es heißt, einmal habe er eine Regierungsdelegation der Ukraine aus seinem Arbeitszimmer gewiesen, weil er mit Julia unter vier Augen sprechen wollte. Ein anderes Mal, so erinnert sich Leonid Kutschma, habe Wjachirew von ihm verlangt, Lasarenko aus dem Gasgeschäft herauszuhalten, weil auf den kein Verlass sei. Über Julia Timoschenko dagegen hörte man aus dem Munde des Gazprom-Chefs kein einziges böses Wort. Selbst als sie schon zum Freiwild erklärt war, beteiligte er sich nicht daran, sie zu jagen. Der selbstherrliche, gebieterische Wjachirew, der auch für unsinnige, ungerechte Entscheidungen gut war, blieb bis zu seinem Rücktritt unter Putin gegenüber Julia Timoschenko bei seiner respektvollen Haltung.
Der erste Vertrag mit Gazprom sah eine Lieferung von 24,2 Milliarden Kubikmetern Gas in die Ukraine vor. Damit war fast ein Drittel des Jahresverbrauchs des ganzen Landes gedeckt. Das Gas floss vor allem in die Industriegebiete im Osten und zum Teil ins Zentrum des Landes. Der Vertrag wurde über die damals kaum vorstellbare Summe von 2,11 Milliarden Dollar geschlossen.
Die Generalstaatsanwaltschaft der Schweiz, die den in Ungnade gefallenen Ministerpräsidenten Lasarenko später festnahm, behauptet, er habe von Julia Timoschenko insgesamt 72 Millionen Dollar erhalten. Sie selbst streitet jede Bestechung kategorisch ab. Aber ist überhaupt vorstellbar, dass sie nach anderen Regeln spielte als die übrigen Konkurrenten am Markt? Dass sie die einzige Unternehmerin im Lande war, die eines der Filetstücke dieses Marktes erhielt, ohne etwas dafür zu bezahlen?
Wohl kaum.
Etwas anderes ist dagegen klar. Die ihr vorgeworfene Bestechungssumme sind Peanuts, wenn man sich ansieht, in welchen Dimensionen JeESU agierte. 72 Millionen Dollar waren für den Timoschenko-Konzern nicht gerade lächerlich, aber auf jeden Fall erschwinglich. Das Unternehmen erreichte seinen Höhepunkt ausgerechnet Anfang 1997, als auch Lasarenko über die größte Machtfülle verfügte. Der Abstieg des Konzerns setzte ein, als der Ministerpräsident zurücktrat. Dass Julia Timoschenkos Firma sein Lieblingskind war, bestreitet auch Lasarenko selber nicht. »Hinter mir stand eine Struktur, die in der Ukraine nicht ihresgleichen hatte: die ›Einheitlichen Energiesysteme‹«, erklärte er der amerikanischen Zeitung Nowoje russkoje slowo (Das neue russische Wort) in einem Interview.
Eine Journalistin hat die Aktionen der ukrainischen Oligarchen
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