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Julia Timoschenko - die autorisierte Biografie

Julia Timoschenko - die autorisierte Biografie

Titel: Julia Timoschenko - die autorisierte Biografie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilia Milstein , Dmitri Popov
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gesetzgeberische Tätigkeit wird davon regelmäßig in den Hintergrund gedrängt. Der vorhergehenden Rada war es wegen der Streitereien um den Haushalt nicht einmal gelungen, der unabhängigen Ukraine eine neue Verfassung zu geben. Am Ende einigte sie sich darauf, die Verfassung der Ukrainischen Sowjetrepublik von 1978 beizubehalten. Die Rada von 1994 nahm die Verfassung schließlich an, fand aber keine Zeit, um sie durch so grundlegende Gesetzeswerke wie ein Zivil-, Straf-, Boden- oder Steuergesetzbuch zu ergänzen, die jeder Staat braucht.
    Für viele Abgeordnete war der Einzug ins Parlament genauso von Geschäftsinteressen bestimmt wie für Julia Timoschenko. Sie ­kamen hierher, um ihr zusammengerafftes Geld zu verteidigen. ­Anderen, die noch kein Vermögen besaßen, bot das Parlament die beste Chance für ihre persönliche »ursprüngliche Akkumulation des Kapitals«. Fast allen aber gab die blau-gelbe Flagge als Abzeichen am Revers Schutz vor jeglichen Unbilden des Schicksals.
    Der wilde postsowjetische Kapitalismus »privatisierte« die verschiedensten Lebensbereiche, womit er sie den Gesetzen des wilden postsowjetischen Marktes unterwarf. Viel später wird sich Julia Timoschenko über die totale Kommerzialisierung des gesellschaftlichen Lebens der Ukraine empören. »Können Massenmedien zugleich einträgliche Unternehmen sein?«, fragt sie Anfang 2004. »Und wenn ja, warum sind politische Parteien dann keine Firmen? Schließlich könnte man ja auch die Präsidialadministration in eine Aktiengesellschaft umwandeln!« In diesem Interview wird sie die politische Macht und die Geschäftswelt der Ukraine »siamesische Zwillinge« nennen und empört feststellen, dass der gesellschaftliche Organismus des Landes durch und durch krank sei.
    Aber 1996 spielt die Oligarchin und frischgebackene Parlamentarierin Timoschenko noch mit Hingabe nach den geltenden Regeln.
    Giftige Seitenhiebe der Journalisten wie die »Politikerin des Jahres«, bei der alle Politik unter einem Berg grüner Banknoten verschwindet, sind ihr einerseits unangenehm. Aber andererseits kommt es ihr durchaus gelegen: Für die frischgebackene Abgeordnete ist es gar nicht schlecht, dass man sie wie ein verwöhntes, reiches Gör behandelt, das aus Langeweile im Parlament mitspielen will. Schlimmer wäre es, hätte man ihre wahren Absichten und ihr ungewöhnliches Talent sofort durchschaut und sie von Anfang an nach den harten Regeln dieser Männerwelt bekämpft. Natürlich kratzt es an ihrer Eigenliebe, wenn sie Derartiges lesen muss, aber im Grunde ist sie zufrieden. Sie hat alle Zeit der Welt, um sich die Wünsche zu erfüllen, die sie selber noch gar nicht richtig kennt.
    Das Parlament mit seinen Ränken und Intrigen spielt in dieser Etappe in ihrem Leben eine wichtige, aber noch nicht die Hauptrolle. Es ist eine Investition in die Zukunft. Zunächst bringen ihr die hervorragend gelaufenen Wahlen und der neue Abgeordnetenstatus eine Menge unerwarteter, zumeist angenehmer Überraschungen.
    Zu Weihnachten 1997 verleiht die ukrainische orthodoxe Kirche Julia Timoschenko den Orden der heiligen Märtyrerin Warwara. Böse Zungen behaupten natürlich, sie sei nur dafür dekoriert worden, dass sie bereit ist, ohne Murren Geld zu spenden, der Orden sei lediglich der Lohn für die vor den Wahlen im Kirowograder Gebiet wiederhergestellten Kirchen. Außerdem ist das Ansehen solcher Orden in der postsowjetischen Zeit sehr gesunken. Die Kirche verleiht sie jedem beliebigen Lokalchef, so wie einst Breschnew an seine Dnipropetrowsker Weggefährten Posten verteilte. Außerdem kommt nicht nur denen, die ihr übelwollen, der Verdacht, sie habe sich auf diese Weise von früheren Sünden loskaufen wollen.
    Julia Timoschenko selbst nimmt die Auszeichnung allerdings ernst und ist sehr stolz darauf. Bei jeder offiziellen Gelegenheit prangt der Orden an ihrem schwarzen Chanel-Kostüm. Sie trägt keinerlei Schmuck, ja nicht einmal eine Uhr. Bei Verhandlungen hat sie die schlechte Angewohnheit, Ringe, Uhren, Ohrclips oder ein Armband abzunehmen und in den Händen zu drehen. Danach lässt sie sie regelmäßig liegen. Später bekennt sie einmal in einem Interview, dass durchaus nicht alle Geschäftspartner ihr die vergessenen Wertsachen zurückgeben.
    Die Märtyrerin Warwara ist eine auffallende Figur unter den Heiligen der orthodoxen Kirche. Die Tochter des Heidenfürsten Dioskor war eine Schönheit. Sie ließ sich heimlich taufen und musste für ihren Glauben schwer bezahlen:

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