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Julia Timoschenko - die autorisierte Biografie

Julia Timoschenko - die autorisierte Biografie

Titel: Julia Timoschenko - die autorisierte Biografie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilia Milstein , Dmitri Popov
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Obersten Rada ausgerufen wurde, zögerte Julia nicht lange.
    In Dnipropetrowsk hätte sie einen Vorteil gehabt: Sie stammte aus der Gegend, und im Parlament sah man gern eigene Landsleute. Aber auch das Gebiet Kirowograd war ihr vertraut. Es gehörte zum Markt von JeESU. Die Präsidentin des allmächtigen Unternehmens war hier bestens bekannt, und zwar nicht nur unter Leuten, die mit Strom und Gas zu tun hatten. Die Obrigkeit am Ort unterstützte sie bereitwillig, denn sie hoffte zu Recht auf zusätzliche Gaslieferungen und Investitionen, aber auch auf die ganz normale menschliche Dankbarkeit der Abgeordneten Timoschenko. Außerdem wusste jeder, dass hinter ihr der allmächtige Ministerpräsident Lasarenko stand.
    Die Sache war aber zu wichtig, als dass man nur auf die Hilfe anderer setzen, das heißt, sie dem Selbstlauf überlassen durfte. Für ihren Sieg musste Julia sich schon persönlich engagieren.
    Im Wahlkampf hatte sie zum ersten Mal aus der Stille des eleganten Büros der Firmenchefin in den ungeschützten Raum der Öffentlichkeit zu treten. Hier traf sie auf Reporter und Wähler, stand plötzlich im Scheinwerferlicht der Fernsehkameras. Dabei wurde ein Problem offenbar. Wer sich an die ersten Schritte der JeESU-Präsidentin auf öffentlicher Bühne erinnert, ist verblüfft, wie wenig die damalige Julia Timoschenko dem Bild ähnelt, das heute jeder kennt. Es fiel ihr ungeheuer schwer, mit unbekannten Menschen zu kommunizieren. Das sahen nicht nur die Fernsehleute. Das grelle Scheinwerferlicht blendete sie und machte sie unsicher. Plötzlich zeigte sich, dass sie es trotz ihres blendenden Aussehens noch nicht gelernt hatte, sich in der Öffentlichkeit zu bewegen. Unvermittelt versagt ihr die Stimme. Sie hat ihre Körpersprache nicht im Griff: Bald krampft sie die Hände zu Fäusten zusammen, bald fährt sie sich durchs Haar und verdirbt die Frisur. Sie wirkt gehemmt. Ihr Gang verändert sich, und sie blickt gehetzt um sich.
    All das ist allerdings merkwürdig. In geschäftlichen Verhandlungen, wo wesentlich wichtigere Fragen mit Leuten besprochen werden, die viel furchterregender sind als gewöhnliche Wähler, wirkt sie geradezu überlegen. Sie kann naiv und vertrauensselig dreinschauen, Bein zeigen, die Situation mit einem Lächeln entspannen oder einen zu selbstbewussten Partner unvermittelt hart anfahren. Wenn nötig, kann sie kalt wirken oder vertrauliche Nähe imitieren. Aber das ist ihre Welt, in der sie sich zu Hause fühlt. Ihre Bühne, ihre Akteure, ihre Zuschauer, ihre Rollen, die sie auswendig kennt. In diesem Kreis ist sie bereits Legende. Hier gilt sie als die perfekte Schauspielerin. Dafür achtet man sie, misstraut ihr, hasst sie oder ist von ihr begeistert. Auf jeden Fall spielt sie immer die Hauptrolle.
    Wie soll man das verstehen? Ist sie eine Mimin des Kammerspiels, die sich auf großer Bühne verloren vorkommt? Kann sie nicht auf freien Plätzen auftreten? Sie, die jeden mächtigen Geschäftsmann um den Finger wickelt, soll vor der Fernsehkamera keine Wirkung entfalten? Damit kann sich Julia Timoschenko nicht abfinden.
    1996 heuert sie professionelle Imageberater an, die ihr die ungelenken Gesten austreiben, ihr erklären sollen, wie man in einer Menschenmenge, auf der Bühne eines Dorfklubs oder im Scheinwerferlicht der Fernsehkameras eine gute Figur macht. Die Wähler des Kirowograder Gebietes erleben als Erste die Geburt der Julia Timoschenko, die bald von der Tribüne des Parlaments das »volksfeindliche Regime« brandmarken, die in der landesweiten Kampagne »Eine Ukraine ohne Kutschma« auf den Straßen Tausende Demonstranten anführen und im November 2004 schließlich auf dem Maidan, dem Platz der Unabhängigkeit, zum Erzengel mutieren wird.
    Einer ihrer Lehrer nennt sie eine »geniale Schauspielerin … die selbst Hollywood erobern könnte«.
    »Julia lernt blitzschnell, sie saugt alles auf wie ein Schwamm«, berichtet er. »Es genügt, sie ein einziges Mal auf einen Fehler hinzuweisen, und er wird nicht wieder passieren.« Sie kann sich um acht Uhr morgens an den Schreibtisch setzen und ihn am nächsten Morgen um vier wieder verlassen. Wenn ein Problem gelöst scheint, bleibt sie unzufrieden und verlangt, die ganze Sache noch einmal durchzugehen. Den Werbefachmann begeistert nicht nur ihre fantastische Arbeitsfähigkeit, sondern vor allem ihre Gabe, im Handumdrehen eine völlig andere zu werden. Er schwärmt von ihrer »einschmeichelnden Stimme, ihrem Lächeln, ihrem Blick«.

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