Julia Timoschenko - die autorisierte Biografie
Zehntausende Komsomolzen, Rekruten und Häftlinge zusammengezogen, deren zwar unentgeltliche, aber unqualifizierte Arbeit den Staatshaushalt Milliarden Rubel kostete.
Die Leitung wurde mit Heroismus und Selbstaufopferung gebaut. 1986 eröffnete Wjachirew gemeinsam mit Tschernomyrdin im Historischen Museum am Roten Platz in Moskau eine Ausstellung. Sie war der großartigen Gasleitung gewidmet. Fünf Jahre später trat Russland das Erbe der UdSSR an. Auch diese mit dem Blut und Schweiß des Sowjetvolkes errichtete Leitung galt nun als Teil dieses Erbes. Sie war jetzt ein russisches Objekt. Was hatte die Ukraine bei ihrer lächerlichen Unabhängigkeit jetzt noch damit zu schaffen? Ukrainer, die Anspruch auf seine Leitung erhoben, waren für Wjachirew unverschämte Diebe.
Aber er hatte keine Wahl – er musste sich mit ihnen einigen. Dabei waren die Beamten in Kiew für den allmächtigen Gazprom-Chef noch größere Schwätzer als die in Moskau.
Andererseits bot jeder Vermittler, jede Grenze und jeder Umschlagpunkt auf dem Wege des »blauen Goldes« auch den Gasproduzenten selbst Gelegenheit, etwas hinzuzuverdienen. Für nichts konnten sie schließlich nicht im Schweiße ihres Angesichts schuften, während andere sich an den Früchten ihrer Arbeit bereicherten.
Schon in den ersten Tagen hatten die Chefs des Staatskonzerns private Vermittlerfirmen ins Leben gerufen, die von Gazprom für ein Butterbrot Gas bezogen und zu Hauptakteuren auf dem Markt der GUS und darüber hinaus wurden. Die Aktienkontrollpakete dieser Firmen teilte die Führung von Gazprom mit der im Kreml, und in ihre Chefsessel hievte sie Verwandte oder treue Gefolgsleute. Wjachirew, Tschernomyrdin und andere Väter von Gazprom rafften auf diese Weise bis zur Jahrhundertwende selbst für russische Verhältnisse märchenhafte Vermögen zusammen. Aber das leicht verdiente Geld wurde zur Falle. Als Putin mit seiner Mannschaft von Sicherheitsleuten daranging, das Eigentum im Lande neu zu verteilen, wurde dieses Geld zu einem hervorragenden Erpressungsmittel. Die alte Garde von Gazprom war gezwungen, die Macht und einen beträchtlichen Teil ihres Vermögens abzutreten.
Offiziell konnten sich Moskau und Kiew über die Verrechnung der Gaslieferungen nicht einigen. Daher etablierten sich Mitte der Neunzigerjahre an der russisch-ukrainischen Grenze private Gashändler, deren Geschäft sich in nichts von dem der Firma KUB unterschied. Das Gas kam von Gazprom und wurde den ukrainischen Unternehmen für ihre Erzeugnisse geliefert, die man ins Ausland exportierte. Wenn man davon ausgeht, dass auch das Gas nicht bar, sondern mit Waren bezahlt wurde, dann machten die Händler gleich einen dreifachen Schnitt: Sie nahmen den Unternehmen ihre Produktion zu Schleuderpreisen ab, gaben sie zum dreifachen Preis an die russischen Gasverkäufer weiter, die ihrerseits die russischen Beamten und Gasmagnaten zu schmieren hatten. Die Überschüsse der Produktion wurden dann zu Weltmarktpreisen in harter Währung im Ausland verkauft. Dieses Geschäft warf mehrere Hundert Prozent Gewinn ab. Nur die ukrainischen Industriebetriebe gerieten nach und nach in völlige Abhängigkeit von den Gaslieferanten. Nach Schätzungen von Insidern wurden in jenen Jahren 65 bis 70 Prozent des Gasumschlags in der Ukraine von der Schattenwirtschaft abgewickelt.
Vor Lasarenkos Machtantritt waren die bedeutendsten Gashändler die Firmen »Respublika« und »Intergas«, die dem jungen ukrainischen Oligarchen Igor Bakai gehörten. Von ihm stammt der Ausspruch, dass »alle wohlhabenden Leute in der Ukraine ihr Kapital mit russischem Gas verdient« haben. Dass er »wohlhabend« sagt, spricht für die Bescheidenheit des Mannes. Dieser Markt war Milliarden Dollar schwer.
Pawlo Lasarenko und Julia Timoschenko, die damals in den Dimensionen von Dnipropetrowsk dachten, hatten eine einfache Idee. Sie wollten den Markt monopolisieren. Zu diesem Zweck war JeESU im Grunde geschaffen worden. Das Unternehmen sollte zum wichtigsten, wenn nicht gar einzigen Vertreiber russischen Gases in der Ukraine werden. Lasarenko klagte später, Julia habe ihn zur Monopolisierung des Marktes gedrängt. Wenn man weiß, wie kühn sie damals agierte, möchte man dieser Aussage gern glauben. Allerdings ist kaum anzunehmen, dass Lasarenko sich sehr gewehrt hat, selbst wenn die Idee tatsächlich aus dem Köpfchen seines »Patenkindes« stammte.
Julia Timoschenkos Konzern wurde gegen den Willen der Leute von Gazprom, die mit Bakais
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