Julia Timoschenko - die autorisierte Biografie
organisierten und sehr teuren Wahlkampfes nur mit Mühe die Vier-Prozent-Hürde. Julia Timoschenko, die in ihrem alten Wahlkreis antritt, erhält kaum ein Drittel der damaligen Stimmen. Für »Gromada« als Partei sieht es in diesem Wahlkreis noch schlechter aus.
Und doch – die Hauptaufgabe ist erfüllt, Pawlo Lasarenko und Julia Timoschenko ziehen wieder ins Parlament ein. Hier kann Julia endlich Revanche für den Raub ihrer Partei nehmen. Lasarenko tritt an die Spitze der »Gromada«-Fraktion. Julia Timoschenko hingegen wird mit Unterstützung aller linken Fraktionen, die im Parlament die Mehrheit haben, zur Vorsitzenden des Haushaltsausschusses, des wichtigsten Gremiums der Rada, gewählt.
Es ist kein Zufall, dass sie sich mit den Linken verbündet. Bereits im Wahlkampf hat die ruinierte Oligarchin »Gromada« als sozialdemokratische Opposition zum korrumpierten Präsidialregime in Stellung gebracht. Die Presse schreibt, dass ihr die Herzen der linken Wähler zufliegen, die von den Kommunisten mit ihrem blassen Führer Symonenko enttäuscht sind. Auch von der glänzend gespielten Karte des »oppositionellen Populismus« ist die Rede. Im Parlament bleibt Julia Timoschenko bei dieser Politik. Wie schon im Wahlkampf sind ihre beiden wichtigsten Themen die Forderung nach dem Rücktritt des Präsidenten und nach einer wesentlichen Aufstockung der Sozialprogramme. Der Haushaltsausschuss bietet ihr dafür die ideale Plattform. Den von dem verhassten Ministerpräsidenten Pustowoitenko vorgelegten Haushaltsentwurf weist sie entschieden zurück und verfasst einen Gegenvorschlag, der enorme Sozialausgaben vorsieht. Die Fachleute heben befremdet die Hände und können nur hoffen, dass die internationalen Finanzorganisationen, die den ukrainischen Haushalt kreditieren, derartige Fantastereien nicht ernst nehmen.
Aber den einfachen Leuten in dem verarmten Land imponiert, wie diese Frau furchtlos gegen die Staatsmacht vom Leder zieht. Wie sie öffentlich dafür kämpft, dass ihre Löhne und Renten erhöht und pünktlich gezahlt werden. Kutschmas Ansehen sinkt zusehends. Julia Timoschenkos Sympathiewerte steigen, obwohl die meisten Menschen Oligarchen überhaupt nicht mögen. Zugleich wächst in den Behörden der Hass auf sie. Und die Erkenntnis, dass sich diese unkontrollierbare Dame offenbar nicht einschüchtern lässt. Höchstens im Gefängnis.
Aber Julia Timoschenko genügt inzwischen die Oppositionsrolle im Parlament nicht mehr. Die temperamentvolle Abgeordnete hat eine neue Idee – ein Referendum, das dem Präsidenten das Misstrauen aussprechen und ihn zum vorzeitigen Rücktritt zwingen soll. Unter ihrer Führung wird ein Stab zur Vorbereitung des Referendums geschaffen.
In diesen Tagen vergleicht man sie zum ersten Mal öffentlich mit Jeanne d’Arc. Eine Journalistin, die die Ambitionen der Ex-Oligarchin beschreibt, bemüht im Scherz das Bild der Jungfrau von Orleans und kommt zu dem Schluss: »Auf ihre Losung ›Wer Kutschma nicht mag, stimme für vorgezogene Präsidentenwahlen!‹ müsste nach ihrem Charakter eigentlich die Aufforderung folgen: ›Wer mich mag – Mir nach!‹«
Niemand ahnt, wie genau damit das Bild getroffen ist, dem Julia Timoschenko immer zielbewusster zustrebt.
Als der Herbst 1998 beginnt, ist Kutschma mit seiner Geduld am Ende. Da nun die Präsidentschaftswahl unerbittlich näherrückt, kann er diese zügellosen Angriffe nicht länger dulden. Ein Ermittlerteam der Generalstaatsanwaltschaft sammelt bereits seit Februar 1998 Belastungsmaterial gegen Lasarenko und Timoschenko. Im Herbst haben sich 500 Aktenbände angesammelt. Sie malen ein düsteres Bild von Wirtschaftsverbrechen, Korruption und Steuerhinterziehung. Allein der Schaden, den JeESU dem Staat zugefügt hat, wird von der Staatsanwaltschaft mit zwei Milliarden Dollar beziffert.
Die ersten Warnsignale hat der vorsichtige Turtschinow seit Längerem aufgefangen. Ihm ist klar, dass Lady Ju ein lebensgefährliches Spiel treibt. Dass sie über das Ziel hinausschießt. Dass sie im Eifer des Gefechts eine Grenze überschritten hat, von wo der Weg ins politische Aus führt. Die Abgeordneten der »Gromada«-Fraktion unter Führung des perspektivlosen Lasarenko wirken selbst im Bündnis mit den Linken und als sichtbare Gruppe mit ihren lautstarken, skandalösen Tiraden marginal und kraftlos. Lasarenko wird zu ihrem Hauptproblem. Turtschinow begreift als Erster, dass die Partei, die eine Abkehr von jeglichem Führerkult verkündet hatte,
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