Julia Timoschenko - die autorisierte Biografie
in der zuvor der Hollywoodstar Eddie Murphy wohnte – mit fünf Swimmingpools, 41 Zimmern und zwei Hubschrauberlandeplätzen …
Aber auch der größte Komfort kann die seelischen Wunden, die Lasarenko in der Heimat geschlagen wurden, nicht heilen. Über seine Anwälte lanciert er einen offenen Brief nach Kiew, in dem er seine ehemaligen Untergebenen und Partner ausführlich und erfindungsreich beschimpft. Vor allem natürlich sein verlorenes Patenkind. »Julia Timoschenko und ihre Umgebung haben keine politische Zukunft. Kurtisanen, die nur an ihre eigene Befriedigung denken, die für sie nicht in der Liebe, sondern im Geld liegt, das sie dem Volk schamlos rauben, haben keine Zukunft … Für Verräter gibt es nur einen Weg – auf den Kehrichthaufen der Geschichte.«
»Kurtisane« ist hier natürlich der Schlüsselbegriff. Leonid Kutschma wird, wenn er in der Männerrunde seiner Vertrauten auf Julia Timoschenko zu sprechen kommt, noch ganz andere Wörter gebrauchen, die aber alle dasselbe bedeuten. Männer können durchaus eine Frau eine Hure nennen, nur weil sie sich ihnen verweigert hat.
Julia Timoschenko waren diese späten Schmähungen aus dem Hinterhof der Geschichte inzwischen ziemlich gleichgültig. Sie hatte eine neue Lebensphase begonnen, an die sie sich später ohne Scham erinnern soll. Ihre kurze Affäre mit der Macht. Die Zeit des Leonid Kutschma.
Aus ihrer Sicht war diese Entscheidung richtig. Endlich fühlte sie sich wieder frei. Frei von Lasarenko und all den selbstmörderischen Worten und Taten, zu denen sie sich gezwungen sah, um ihren früheren Gönner zu stützen. Dem aber war nicht mehr zu helfen. Kurz zuvor hatte ein ukrainischer Journalist geschrieben, Lasarenko hätte »manchmal nichts dagegen innezuhalten. Anhalten kann man aber nur, wenn man aufsteigt, nicht, wenn man fällt. Ehemalige Regierungschefs fallen in diesem Lande wie ein Butterbrot. Meist mit dem Gesicht nach unten.«
Pawlo Lasarenko irrte in der Hauptsache: Als Julia Timoschenko das Bündnis mit ihm aufkündigte, wurde sie damit nicht zur Parteigängerin Kutschmas. Sie lief nicht von einem Lager ins andere über. Der Kompromiss bestand darin, dass sie zeitweilig ihre scharfe Kritik am Präsidenten einstellte. Aber sie hielt weiterhin Distanz zur Macht. Nur wenige, genau bemessene Schritte kam sie dem Präsidenten entgegen. Exakt nach der Vorstellung, was ihr möglich und was unmöglich war.
Kutschma ärgerte sich über die »Gromada« und hasste Lasarenko. Julia Timoschenko nutzte das, trat aus der »Gromada« aus und gründete eine eigene Partei, in der sie die Führung mit niemandem mehr zu teilen brauchte. Kutschma wollte eine loyale »Batkiwtschina«, zumindest bis zur Präsidentschaftswahl. So lautete ihre Vereinbarung mit der Staatsmacht: Loyalität für die Einstellung des Prozesses und die Aufhebung der Geldstrafen. Eins für das andere. Wenn der Präsident ihr das Vermögen zurückgibt und sie in Ruhe lässt, verhilft sie ihm gemeinsam mit den anderen ehemaligen »Gromada«-Abgeordneten zur Mehrheit in der Obersten Rada. Kutschma will nicht, dass sie bei der Präsidentschaftswahl von 1999 antritt? Bitte schön. Das hat sie bislang auch nicht vor. Sie ist bereit, ihm entgegenzukommen.
Im Juli 1999 wird »Batkiwtschina« – nicht ohne Hilfe der Präsidialadministration – gesamtnationale Partei. In dieser Zeit hebt das Schiedsgericht, das sich offenbar sehr in den Fall JeESU vertieft und endlich die Wahrheit erkannt hat, die Beschlagnahme der Konten von Julia Timoschenkos Gasimperium wieder auf. Julia, die ihrerseits die Anklageschrift offenbar gründlich studierte, hat inzwischen eine Dissertation zum Thema »Die staatliche Regulierung des Steuersystems« verteidigt.
Damit war für sie die Etappe der Geschäftsfrau endgültig abgeschlossen. Die Freigabe der JeESU-Konten bedeutete zwar, dass sie wieder zu Geld kam, aber die Prinzessin kehrte nicht auf den Gasmarkt zurück, wo Bakai und Pintschuk gerade dabei waren, für die Wiederwahl des Präsidenten Millionen zu scheffeln. Ganz sicher stellte Julia beim Kuhhandel mit Kutschmas Umgebung den Verzicht auf künftige Geschäftstätigkeit als großes Opfer dar. Das war er in Wirklichkeit nicht. Sie hatte längst einen anderen Weg gewählt.
Unmittelbar vor der Wahl zeigte Kutschma Zeichen von Nervosität.
Die Umfragewerte des Präsidenten stiegen nur träge. Wie eine Karawane, die den Berg hinaufkriecht. Für ihn waren parallel drei Stäbe tätig, die
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