JULIA VALENTINSBAND Band 21
Farbtupfer wie auch Schutz vor Kälte. Caroline drapierte sich das eine Ende des Schals über die Schulter, griff nach ihrer Handtasche und nahm den Fahrstuhl nach unten zur Hotellobby.
Rory wartete dort auf sie. Er trug immer noch seine schwarzen Hosen, diesmal kombiniert mit einem schwarzen Rollkragenpulli unter einem rostfarbenen Sportmantel, der fast dieselbe Farbschattierung besaß wie der äußere Ring um Rorys Iris.
Sie dachte, er würde vorschlagen, einen Drink in der Hotelbar zu nehmen, doch er hatte offensichtlich andere Pläne.
„Bist du sicher, dass dir das warm genug ist?“, fragte er sie mit einem Blick auf das Tuch.
„Das sollte es doch“, entgegnete sie. „Es sei denn“, fügte sie nach kurzem Nachdenken dazu, „du hast einen Platz in einem der Gartenrestaurants von Tossa bestellt.“
„Ich hatte tatsächlich geplant, draußen zu essen. Allerdings mit Heizpilz.“
„Dann ist es okay.“
Er nahm ihren Arm und führte sie zu dem Pfad, der auf den Wall mündete. Die Luft hatte sich abgekühlt, war aber nicht feuchtkalt, und die Brise ließ nur leicht die Enden ihres Schals flattern.
Sie gesellten sich zu weiteren Spaziergängern, die sich zum Abend auf dem breiten flachen Damm eingefunden hatten. Ihre Schritte hallten auf den polierten Fliesen wider, die noch aus den Tagen der römischen Besatzung stammten.
Wie Caroline feststellte, herrschte gerade Flut. Wellen schäumten über das Ufer und schlugen an die Boote, die an Land gezogen und an den Ringen unter der Promenade vertäut worden waren. Aus den schicken Hotels und Restaurants von Tossa, die durch den Steinwall vor der See geschützt waren, drangen Licht, Gelächter und Musik nach draußen.
„Wohin gehen wir?“, erkundigte sie sich, nachdem sie an dem letzten Lokal vorbeigelaufen waren.
„Zum Fuß der Burg.“
Sie blickte nach vorn und konnte nur einen schwachen Lichtschein erkennen. „Da am Rand des Kliffs ist noch ein Restaurant? Ich kann mich nicht erinnern, eins gesehen zu haben. Nur die Ruine einer römischen Villa.“
„Das ist unser Ziel.“
„Die Villa? Machst du Witze?“
„Keineswegs. Der Manager des Resorts hat mir erzählt, dass sie oft private Partys dort ausrichten. Er behauptet, das wäre der romantischste Platz von Tossa.“
Caroline fühlte sich veranlasst, noch mal eines klarzustellen. „Ich habe dir heute Morgen schon erklärt, dass du dir diese romantischen Gesten sparen kannst. Das ist in Hinblick auf unsere Situation vollkommen überflüssig.“
„Welche Situation denn, Caroline?“
„Willst du, dass ich es deutlich ausspreche? Okay, dann tu ich dir den Gefallen. Gestern Nacht war … gestern Nacht. Ich habe nicht von dir erwartet, dass du noch einen Tag in Tossa bleibst, und schon gar nicht, dass du mich groß ausführst. Morgen werden wir beide wieder nach Hause fahren, jeder in die andere Richtung. Lass uns die Angelegenheit nicht noch komplizierter machen.“
„Niemand zwingt uns, diese Sache zu beenden“, entgegnete er. „Du hast heute Morgen zu mir gesagt, du willst mich dir aus dem Kopf schlagen. Was ist, wenn ich da ganz anders denke?“
„Willst du auf deine lächerliche Bemerkung ansprechen, dass du beabsichtigst, wiedergutzumachen, was passiert ist, als wir noch halbe Kinder waren?“
„Zum Teil“, räumte er ein. „Aber das ist nicht alles. Warum unterhalten wir uns nicht beim Dinner darüber?“
Caroline schob ihre Zweifel beiseite und willigte ein. Als sie die Stufen von der Uferpromenade hinuntergestiegen waren und durch die Reste eines Torbogens schritten, blieb sie wie angewurzelt stehen.
In einsamer Pracht stand ein mit Leinen gedeckter Tisch inmitten eines, wie sie annahm, ehemaligen mit Mosaiken gefliesten Hofs. Hunderte von Votivkerzen tauchten die Szenerie in warmes Licht. Hinter dem Lichtkreis bildete die einzige noch verbliebene Wand der altertümlichen Villa einen dramatischen Hintergrund, der zum Nachthimmel aufragte.
„Ich kann’s nicht glauben!“
„Glaub es ruhig.“ Rory lächelte. „Der Resortmanager meint, sie hätten eine Sondergenehmigung vom Amt für Kulturelles Erbe, um das hier auszurichten. Der Aufwand lohnt sich, meinst du nicht?“
„Das kann man wohl sagen!“
Sie hatte noch nie in einem solchen historischen Ambiente zu Abend gegessen. Das hier war eine originale Geschichtsstätte, wie sie aus ihrem Reiseführer wusste – das Strandferienhaus eines reichen römischen Kaufmanns, dem das Klima in Tossa sehr zusagte.
Aus dem
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