JULIA VALENTINSBAND Band 21
durch die Vorhänge, und er schloss die Augen und erinnerte sich mit Genuss an den mehr als eindrucksvollen Kuss, den er mit der jungen Dame getauscht hatte.
Als er an ihre letzte Bemerkung dachte, lächelte er. Sie wollte also angeblich Eis? Bildete sie sich allen Ernstes ein, dass sie ihm etwas vormachen konnte? Aber so gern er ihr bewiesen hätte, was sie sich wirklich wünschte, so sehr warnte ihn sein gesunder Menschenverstand davor. Wer mit dem Feuer spielte, verbrannte sich nur zu leicht die Finger. Er war angetreten, um mithilfe einer Finanzspritze PLM vor dem Absturz zu retten. Das erforderte seine volle Konzentration. Rodney Prince sah in ihm den Retter seines Unternehmens, und er selbst empfand sich auch so. Schon aus diesem Grund konnte er es kaum erwarten, bis er endlich mit der Arbeit anfangen konnte.
Aus dem Garten drang Lachen in sein Zimmer, und er stand auf und trat auf den Balkon hinaus. Celeste kraulte unter einem mächtigen, ausladenden Feigenbaum zwei mittelgroße Pudel, die nur darauf warteten, dass sie ihnen einen Ball warf. Mit den goldenen Haarsträhnen erinnerte sie ihn an eine Elfe. Aber dann richtete sie sich auf, und ihre langen, wohlgeformten Beine, zusammen mit ihrem ansprechend gerundeten Busen, vertrieben dieses unschuldige Bild von einem auf den anderen Moment.
Ben strich sich das Haar aus der Stirn und streckte sich ausgiebig. Das mit dem Kuss gestern Abend war falsch gewesen. Er hatte Celeste einfach überrumpelt. Trotzdem bereute er nichts. Wenn er ehrlich war, würde er diesen Kuss am liebsten wiederholen. Aber dafür waren seine moralischen Skrupel zu groß.
Er stellte seine Dehn- und Streckübungen ein und legte die Hände um den Mund. „Hallo, da unten!“
Celeste sah zu ihm hinauf, aber ihr Blick erreichte seine Augen nicht, sondern blieb auf seiner nackten Brust hängen. Wie war das mit seiner Anwandlung von Moral gewesen? Er lächelte ein wenig schief und beugte sich vor, um ihr einen besseren Blick zu ermöglichen. Celeste war seine Absicht nicht entgangen, und sie wandte sich ab – nur um sich kurz darauf wieder zu ihm umzudrehen. „Sie sind früh auf, Mr. Scott“, stellte sie mit dem höflichen Lächeln der Gastgeberin fest.
„Immer“, gab er zurück. „Darf ich Ihnen Gesellschaft leisten?“
„Das hatte ich sogar gehofft.“
Seine Augenbrauen gingen in die Höhe. „Sie möchten vermutlich gleich zum Geschäft kommen.“
„Unbedingt.“ Celeste verschränkte die Arme unter ihren bemerkenswerten Brüsten. „Lassen Sie uns so bald wie möglich anfangen.“
Keine halbe Minute später stand Ben unter der kalten Dusche. Er hatte schon mit einigen Frauen oberflächliche Affären gehabt, und es war immer schön gewesen. Aber diese Celeste Prince war anders. Das hatte er vom ersten Augenblick an gespürt. Natürlich hätte er gleich darauf kommen müssen, dass sie Rodneys Tochter war. Genauso wie er danach in der Bibliothek hätte ahnen müssen, dass sie ihn in eine Falle locken würde.
Er trat aus der Dusche und griff nach dem Handtuch. Sein sonst so klarer Verstand war vorübergehend getrübt gewesen. Aber jetzt hatte er wieder zu seinem alten Selbst zurückgefunden. Im Grunde war es ganz einfach: Sie hatte ein Ziel, und er stand ihr dabei im Weg. Und ihr war jedes Mittel recht, den Zweikampf mit ihm zu gewinnen.
Ben lächelte. Schön. Sollte sie es versuchen, er würde ihr mit Vergnügen dabei zusehen.
Auf dem Weg in den Garten hinunter fing ihn die Haushälterin ab und übergab ihm eine Nachricht seines Gastgebers. Wegen einer dringenden persönlichen Angelegenheit musste ich kurzfristig weg. Aber Celeste wird mich bestimmt würdig vertreten. Tut mir leid. Rodney P.
Das verschafft ihr Zeit, sich eine plausible Erklärung für ihren Vater auszudenken, dachte Ben, als er den Zettel in die Hosentasche schob und auf die Veranda hinaustrat. Celeste war offenbar der Meinung, dass es ihn stolz machte, wenn sie die Nachfolge ihres Vaters in der Firma antrat. Irgendwie konnte er das verstehen, und er beneidete sie sogar darum. Er würde viel dafür geben, wenn er sich überhaupt an einen Vater erinnern könnte – oder an eine Mutter.
Aber etwas Gutes hatte sein Leben im Heim und in den diversen Pflegefamilien doch gehabt: Er hatte gelernt zu überleben, weil er die Fähigkeit besaß, Menschen und Situationen sehr schnell und genau einzuschätzen. Und in diesem Fall war er davon überzeugt, dass Rodney Prince niemals auch nur im Traum daran gedacht hatte,
Weitere Kostenlose Bücher