Julia - Vorsicht, bissig
Spiegel. Sie sah glücklich aus, befriedigt. Wie sollte es auch anders sein, erinnerte sie sich mit einem Lächeln an die vergangene Nacht. Dann verengten sich ihre Augen, als sie sich auf ihren Hals fokussierten. Was war das?
Vorsichtig schwebte Julias Hand über den beiden Punkten, die wie Einstiche aussahen. Ihre Augen weiteten sich, als sie sich daran erinnert, wie Daniel an ihrem Hals gesaugt hatte. Das konnte nicht sein Ernst sein! Das würde er ihr erklären müssen. Und sie hoffte, dass er eine gute Erklärung hatte. Auch wenn ihr in dem Moment keine in den Sinn kam.
Ein nasser Lappen traf Daniel im Gesicht und weckte ihn. „Du hast mich gebissen!“ Zornbebend stand Julia in ein Laken gewickelt neben dem Bett.
„Du hättest mich auch gebissen, wenn du es gekonnt hättest“, murmelte er schlaftrunken. Dass das nicht die richtige Reaktion gewesen war, erkannte er an den Blitzen, die Julias Augen auf ihn abfeuerten. „Was glaubst du, wer du bist?“, fauchte sie ihn an, „Graf Dracula?“
Schlagartig wurde Daniel klar, worum es ging und was für ihn auf dem Spiel stand. „Oh, Julia, es tut mir so leid! Ich wollte dich nicht beißen! Ehrlich! Ich war nur so erregt und -“
„Wie hast du das gemacht?“, unterbrach sie seinen gestammelten Entschuldigungsversuch. „Zeig mir deine Zähne!“ Nach einem tiefen Seufzer fletschte Daniel seine Lippen. „Die sehen doch ganz normal aus“, stellte Julia fest und beugte sich ein wenig vor, um in seinen Mund zu sehen. Da ließ er seine Fänge aus dem Oberkiefer gleiten. „Scheiße!“ Um Julia herum wurde es dunkel.
Als sie wieder zu sich kam, lag sie auf dem Bett. „Ich… ich bin ohnmächtig geworden. Ich bin noch nie ohnmächtig geworden“, bemerkte sie verblüfft und sah Daniel, der neben ihr auf der Bettkante saß, an und zuckte zurück. „Du! Du! Wie konntest du nur?“
„Aber es hat doch nicht wehgetan, oder?“, fragte er vorsichtig. Julia klappte den Mund auf und schloss ihn wieder. Sie war nicht dazu bereit zuzugeben wie angenehm der Biss gewesen war. Dann fiel ihr etwas anderes ein. „Bin ich jetzt tot?“
„Nein. Wieso? Du redest doch mit mir.“ Irritiert runzelte Daniel die Stirn.
„Bist du tot?“
„Julia, wir wissen beide, dass du eine kluge, vernunftbegabte Frau bist. Willst du wirklich solche Fragen stellen?“
„Wie alt bist du?“
„Ich wurde 1568 geboren.“
„Und das soll eine kluge, vernunftbegabte Frau glauben?“
„Punkt für dich.“ Daniel fuhr sich durchs Haar. „Darf ich es dir bitte erklären? Es ist eine verrückte und verstörende, wenn nicht sogar beängstigende Geschichte. Ich weiß, dass ich sehr viel von dir verlange, wenn ich dich bitte hier zu bleiben und mir zuzuhören, nach dem, was vorgefallen ist. Ich verspreche dir, dass es eine einmalige Unbeherrschtheit war und ich dich nie wieder ohne deine Erlaubnis beißen werde.“ Julia war sich bewusst, dass diese Einschränkung bedeutete, dass er sie gern mit ihrer Erlaubnis beißen würde. „Ich bereue es zutiefst. Und ich wünsche mir sehr, dass ich dir erklären darf, warum es passiert ist“, fuhr er fort.
Sie schluckte und ließ sich Zeit mit ihrer Antwort. Nachdem der erste Schreck vorüber war, war sie eher neugierig als verängstigt. Und obwohl er sie gebissen hatte und sie seine Fänge gesehen hatte, vertraute sie Daniel. Sie war sich sicher, dass er ihr nichts antun würde. „Wurdest du wirklich 1568 geboren?“
„Ja.“ Daniel nickte.
„Deswegen weißt du so viel über Kunst.“
„Man muss sich nicht automatisch für Kunst interessieren, weil man alt ist“, bemerkte er sanft.
„Nein. Aber was wir mühsam lernen müssen, war für dich Alltag. Erzähl“, forderte sie ihn auf. Es war offensichtlich, dass ein Gewicht von Daniels Schultern genommen wurde und Julia konnte die Erleichterung in seinem Gesicht sehen. „Danke.“ Dann verzog sich sein Gesicht zu einer Grimasse.
„Was ist?“, fragte Julia.
„Ich weiß nicht, wie ich anfangen soll“, gab er zu.
„Vielleicht mit dem Anfang“, schlug sie vor.“
„Der Anfang… tja“, er atmete durch. „Okay. Also, vor etwa 2000 Jahren landeten auf der Erde Außerirdische, die von ihrem Heimatplanten flüchten mussten. Dort herrschte Krieg und der Planet stand vor der totalen Zerstörung.“ Er sah Julia an, um einzuschätzen, wie sie es aufnahm. „Willst du mich jetzt einweisen lassen?“, fragte er vorsichtig.
„Naja… ich habe deine Fänge gesehen. Also werde ich dich
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