Julia-Weihnachten Band 24
dem Wunsch, ins Warme zu kommen, und der Angst vor der Gefangenschaft hin- und hergerissen ist.
„Ich will aber alles von dir!“
„Ich verstehe.“
Das tat er offensichtlich nicht, aber wie sollte sie es ihm nur begreiflich machen? Er liebte sie eben nicht so vorbehaltlos, wie ein Mann seine Frau lieben sollte.
Das Problem war nämlich nicht nur ihr Kinderwunsch.
Oder machte sie sich da vielleicht nur etwas vor?
Tom seufzte tief und sah sie halb traurig, halb ironisch an. „Okay, ich sollte mal lieber zurückgehen, bevor uns die Großen erwischen.“
Fröstelnd schlang Marnie die Arme um sich. „Ja, das ist vermutlich das Beste.“
Tom nahm den Quilt von ihrem Bett und hüllte sie darin ein. „Dir scheint kalt zu sein.“ Für einen kurzen Moment sah er sie an, als wolle er noch etwas sagen oder sie wieder küssen, doch dann ging er hinaus und machte leise die Tür hinter sich zu.
Ich hätte es ihm besser erklären müssen, dachte Marnie verzweifelt. Aber jedes Mal, wenn sie ihm ihren Standpunkt deutlich machen wollte, missverstand er sie total. Dabei waren sie doch beide der Sprache mächtig! Warum war das nur alles so schwierig?
12. KAPITEL
Als Marnie am nächsten Morgen aufwachte, hörte sie Schritte vor ihrer Tür. Anscheinend waren die anderen bereits auf den Beinen, doch das war nicht weiter verwunderlich, denn der Weihnachtsmorgen auf der Farm war schon immer etwas ganz Besonderes gewesen.
Vor allem dieses Jahr, wo die Familie nach langer Zeit endlich mal wieder vereint war. Marnie nahm sich daher vor, das Fest aus vollen Zügen zu genießen, zumal es vielleicht Grannys letztes sein würde.
Mit einer Mischung aus Vorfreude und Nervosität stand sie auf. Doch bevor sie sich zu den anderen gesellte, wollte sie noch einen Blick aus dem Fenster werfen, um zu sehen, wie viel Schnee über Nacht gefallen war. Sie zog den Vorhang zurück und blinzelte in die Helligkeit hinaus.
Im rosafarbenen Schein des Sonnenaufgangs lag die schneebedeckte Landschaft wie ein Brautkleid vor ihr. Die Stämme der kahlen Bäume sahen aus wie mit Puderzucker bestäubt, die Tannen standen unter ihrer weißen Last stolz da.
Dieser Anblick erfüllte Marnie mit tiefer Wehmut. Noch nie war ihr die Vergänglichkeit des Lebens so bewusst gewesen wie in diesem Augenblick.
Sollte sie trotz allem mit Tom nach Rom ziehen und sich mit dem zufriedengeben, was er ihr bieten konnte? Man konnte nun einmal nicht alles im Leben bekommen, was man sich wünschte.
Das Schlimmste wäre, eines Tages voller Reue auf diesen vollkommenen Tag zurückblicken zu müssen, weil sie ihre Chance nicht genutzt hatte.
Plötzlich hörte sie ein Rumpeln über ihrem Kopf.
Es schien vom Dachboden zu kommen. Was ging da schon wieder vor sich?
Rasch streifte Marnie sich ihren Morgenmantel und ihre Hausschuhe über und ging in den Flur hinaus. Norbert und Linda hatten das Geräusch anscheinend auch gehört, denn sie waren gerade auf dem Weg nach oben. Mike und seine Familie, die im Wohnzimmer geschlafen hatten, gesellten sich ebenfalls zu ihnen.
„Irgendjemand macht da oben gerade einen Riesenkrach“, sagte Mike.
„Gehört das auch zum traditionellen Ablauf?“, fragte Bonita.
Ratlos schüttelte Marnie den Kopf. „Es ist mir ein echtes Rätsel. Wir haben in den letzten Nächten schon öfter Geräusche gehört.“
Plötzlich sah sie Dr. Spindler hinter Bonita auftauchen. „Was machen Sie denn hier?“, fragte sie ihn überrascht.
„Jolene hat mir schon vor längerer Zeit einen Schlüssel gegeben“, antwortete er lächelnd. „Ich schaue ab und zu mal bei ihr vorbei, um nach dem Rechten zu sehen. Schließlich lebt sie sonst allein hier.“
Erst jetzt fiel bei Marnie der Groschen: Artie und Jolene verband offensichtlich mehr als nur Freundschaft. Die beiden waren ein Paar!
„Ich glaube, wir sollten da oben mal nach dem Rechten sehen“, sagte Artie und zwinkerte Marnie verschwörerisch zu.
Das Baby schrie. Lächelnd nahm Bonita die ausgestreckte Hand ihres Mannes und ging mit ihm die Treppe hinauf.
Marnie ließ dem Arzt den Vortritt, da ihr plötzlich auffiel, dass Tom noch gar nicht aufgetaucht war. Doch als sie sich gerade nach ihm umdrehte, kam er bereits aus seinem Zimmer und streifte sich einen grünen Pullover über. Mit dem gekämmten Haar und dem frisch rasierten Gesicht sah er auffallend frischer aus als der Rest der Familie.
„Das hier ist doch kein diplomatischer Notfall“, sagte Marnie zu ihm. „Du hättest dich nicht extra
Weitere Kostenlose Bücher