Julia-Weihnachten Band 24
ihr und ihrer Großmutter eingezogen war, hatte er in ihrer Gegenwart nie das Gefühl der Ehrfurcht ablegen können – er hatte sie immer als etwas sehr Seltenes und Kostbares empfunden, das wie durch Zauberhand in sein Leben getreten war.
Dass sie ihn verlassen hatte – seiner Meinung nach der Beweis, dass sie ihn nicht so liebte, wie er war –, hatte ihn daher noch stärker getroffen als der Auszug seiner Mutter. Es war das Schlimmste, was ihm je zugestoßen war.
Ob er deshalb gerade ein so starkes Verlangen empfunden hatte, sie in die Arme zu nehmen und sich mit ihr zu versöhnen? Aber vermutlich hatte er ohnehin keine Chance bei ihr. Die hatte er sich gründlich vermasselt, wenn auch unbeabsichtigt.
Als er sah, wie Marnie die Stufen zur Veranda hochstieg und die Haustür öffnete, lief er unwillkürlich los. „Warte!“, rief er und rannte kurz nach ihr durch die Tür – seitlich, damit ihr Koffer und die Tasche mit den Geschenken hindurchpassten. „Es gibt da etwas, dass ich dir unbedingt noch …“
In der Diele blieb Marnie so abrupt stehen, dass er fast in sie hineingerannt wäre. Über ihren Kopf hinweg sah er Cody aus Jolenes Zimmer kommen.
Der blonde Junge sah Marnie interessiert an. „Hi!“
Nervös hielt Tom die Luft an.
„Hallo! Wer bist du denn?“, fragte Marnie gleichzeitig belustigt und verwirrt.
„Cody“, antwortete der Kleine.
„Also, ich heiße Marnie. Lässt du mich mal vorbei, damit ich diese Sachen hier in der Küche abstellen kann? Dann schüttle ich dir gern die Hand.“ Vorsichtig ging sie um das Kind herum, blieb dann jedoch stehen. „Wo ist denn deine Mutter?“, fragte sie. „Seid ihr neu in der Gegend?“
„Habe keine Mutter“, antwortete der kleine Junge und rannte auf Tom zu. „Das ist mein Daddy!“
Marnie glaubte zunächst, sich verhört zu haben. „Was hast du gesagt?“
Tom hielt es für klug, sich jetzt einzuschalten. „Ich wollte es dir eigentlich schon eher sagen, aber ich wusste nicht, wie“, gestand er. „Ich habe Granny vor einem halben Jahr geschrieben, dass ich einen Sohn habe, aber offensichtlich fehlten ihr ebenfalls die richtigen Worte, um es dir zu sagen.“
Ein Kind? Tom hatte ein Kind?
Marnie starrte den Jungen wie betäubt an. Sein Haar war heller als das von Tom, aber die Ähnlichkeit zwischen den beiden war unverkennbar.
Wie war das nur möglich? Sie und Tom waren doch erst seit vier Jahren geschieden. Der Junge sah aus, als sei er etwa zweieinhalb. Tom musste also schon kurz nach der Trennung eine andere Frau gefunden haben.
Marnie hätte sich gern eingeredet, dass diese Frau nur eine Art Trostpflaster für ihn gewesen sein konnte, aber sie wollte sich nichts vormachen. Sie hatte immer gewusst, dass er seine Meinung zu Kindern ändern würde, sobald er die Richtige fand.
Kein Wunder, dass Granny ihr nichts von dem Kind erzählt hatte. Es tat verdammt weh, dass der Mann, den sie so sehr geliebt hatte, so schnell neues Glück gefunden hatte.
Und es auf diesem Wege zu erfahren, war einfach grausam. „Warum hast du mir nicht geschrieben, dass du verheiratet bist?“, fragte sie mit zitternder Stimme. „Ist das denn zu viel verlangt?“
„Ich bin nicht verheiratet“, murmelte Tom, während sein Sohn in die Küche marschierte.
„Hält deine … deine Freundin etwa nichts von der Ehe?“
„Es gibt keine Freundin.“
Als Tom die Hände in die Hosentaschen schob, sah er plötzlich wieder so aus wie früher als Jugendlicher. „Cody war sozusagen ein Unfall.“
Marnie unterdrückte das in ihr aufsteigende Gefühl der Erleichterung. Andererseits geschahen Unfälle nicht einfach so, schon gar nicht erwachsenen Männern, denen es in ganzen sechs Jahren Ehe perfekt gelungen war, kein Kind zu zeugen. „Was meinst du damit?“
„Ich war etwas leichtsinnig geworden“, gestand Tom. „Glaub mir, es war nie meine Absicht, ein Kind zu bekommen.“
Trotz seines schuldbewussten Gesichtsausdrucks glaubte Marnie ihm kein Wort. „Er ist ein total süßer kleiner Junge!“, sagte sie wütend. „Sprich bitte nicht über ihn, als sei er eine streunende Katze!“ Sie folgte Cody in die Küche.
Der vor einigen Jahren modernisierte Raum erstreckte sich über die gesamte Rückseite des Hauses. Vom Fenster aus konnte man den Rosengarten sehen, hinter dem sich winterkahle Felder erstreckten.
Von Jolene fehlte jede Spur. „Wo ist Granny?“, fragte Marnie Tom, der ihr in die Küche gefolgt war.
„Sie ruht sich gerade etwas
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