JULIA WEIHNACHTSBAND Band 22
Schwester sehr, doch die Gespräche mit ihr gestalteten sich oft schwierig. Melissa neigte dazu, in Tränen auszubrechen. Sie war voller Schuldgefühle, weil sie ihrer Schwester, wie sie es ausdrückte, ‚Nick gestohlen‘ hatte. Nach einem solchen Gespräch war Sophie völlig erschöpft, weil sie verzweifelt versucht hatte, ihre Schwester aufzuheitern.
„Wie geht’s dir?“, fragte sie und hoffte, fröhlich zu klingen.
„Mir geht es gut.“
„Und Nick?“, rang sie sich ab.
„Ihm geht es ausnehmend gut“, meinte Melissa, doch Sophie glaubte einen leicht verzweifelten Unterton herauszuhören. „Er ist dieses Wochenende in Schottland, zum Klettern. Er leitet eine Gruppe. Nicht offiziell, aber die anderen haben ihn darum gebeten, weil er so erfahren ist.“
Nun gut, aber das erklärt immer noch nicht, warum Melissa so angespannt klingt, dachte Sophie. Ob sie glaubte, Nick benutzte das Kletterwochenende nur als Ausrede, weil er sich mit einer anderen Frau treffen wollte? Nick würde doch wohl nicht im Traum daran denken, eine andere anzusehen, wenn er Melissa hatte.
„Und“, meinte sie fröhlich, „was gibt es sonst Neues?“
„Eigentlich nichts.“ Melissa seufzte. „Ich habe nur wegen Dads Geburtstag angerufen. Mum ist ganz begeistert, dass du doch kommst. Sie dachte schon, dass du wieder eine Ausrede erfindest. Und ich bin froh, dass ich ihnen nicht erzählen muss, warum du ungern nach Hause kommst, wenn Nick und ich auch da sind.“ Sie hielt kurz inne. „Ich hoffe nur, dass es … nicht so schwierig wird für dich.“
„Ich werde wunderbar zurechtkommen“, entgegnete Sophie in dem Versuch, bei Melissa erst gar keine Schuldgefühle aufkommen zu lassen.
„Das sagst du immer“, gab Melissa verzweifelt zurück. „Aber ich weiß, dass du nur tapfer sein willst. Nick weiß das auch. Er versteht sehr gut, wie schwierig es für dich ist, ihn zu sehen. Er weiß, wie sehr du ihn geliebt hast. Mir ist das natürlich auch klar …“ Ihre Stimme brach. „Ach, Sophie. Ich wünsche mir so sehr, dass alles anders gekommen wäre. Du bist so ein wundervoller Mensch und verdienst es, glücklich zu sein. Ich kann den Gedanken kaum ertragen, dass du ganz allein bist.“
„Melissa, mir geht es gut“, sagte Sophie müde. „Wirklich. Ich denke kaum noch an Nick.“
Das war natürlich gelogen, aber Melissa musste es ja nicht wissen.
„Aber du bist immer noch allein. Und wenn du uns beiden beim Weihnachtsessen gegenübersitzt, ist das schrecklich für dich, das weiß ich.“ Melissa war den Tränen nahe.
Sophies Kiefermuskeln spannten sich an. „Ich komme nicht allein, Mel. Bram wird auch da sein.“
„Aber das ist nicht dasselbe“, meinte ihr Schwester störrisch. „Sicher, es ist schön, wenn er dabei ist. Er ist sehr nett und ein richtig guter Freund. Er muss Molly schrecklich vermissen. Stimmt es, dass er sich inzwischen mit Vicky Manning trifft? Hat er etwas davon gesagt?“
Sophie setzte sich kerzengerade hin. „Was soll das heißen?“
„Nick hat erzählt, dass er die beiden neulich Abend zusammen im Pub gesehen hat. Du hast wahrscheinlich gehört, dass Vickys Hochzeit ins Wasser gefallen ist.“
„Ja, Mum hat es mir erzählt“, sagte Sophie gedehnt. Eigentlich war sie, Sophie, die Einzige, mit der Bram ins Pub ging. Was also hatte er dort mit Vicky zu suchen?
„Die Arme. Es muss schrecklich für sie sein“, meinte Melissa. „Ich finde, sie hält sich sehr tapfer. Offenbar erzählt sie allen, dass sie das, was geschehen ist, akzeptieren muss und dass das Leben trotzdem weitergeht. Ich weiß nicht, ob ich das könnte, wenn mein Verlobter mich sitzen lassen würde, so kurz vor …“
Sie stockte betreten, weil sie zu spät merkte, was sie von sich gegeben hatte. „Ach, Sophie, es tut mir so leid“, jammerte sie. „Ich wollte nicht …“
„Ist schon gut, Melissa.“ Sophie würde alles behaupten, damit ihre Schwester nicht wieder in Tränen ausbrach. „Sag Vicky, dass sie sich ein Beispiel an mir nehmen soll.“
Und sag ihr, dass sie die Finger von Bram lassen soll, fügte sie im Stillen hinzu.
„An dir?“
„Ich bin doch der lebende Beweis dafür, dass es weitergeht und dass man auch wieder glücklich sein kann“, erklärte Sophie in gewollt glücklichem Ton. „Genau wie Bram. Du weißt doch, wie sehr es ihm zugesetzt hat, als du eure Verlobung gelöst hast. Und sieh ihn dir jetzt an. Ihm geht es gut.“
Auch wenn er eigentlich noch nicht richtig über Melissa
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