Julia Weihnachtsband Band 26
würde. „Es ist schon spät. Er ist in seinem Hotel.“
„Er hat gesagt, ich kann ihn jederzeit anrufen, wenn ich ihn brauche.“
„Das hat er auch sicher ernst gemeint, aber es ist …“
„Cullen soll kommen!“
Er umklammerte ihre Oberarme noch fester und drückte das Gesicht an ihre Schulter. Ihr T-Shirt wurde nass von seinen Tränen.
Wendy strich ihm über das weiche Haar. Sie musste es zumindest versuchen. „Gut. Ich rufe ihn an.“
Cullen fragte nicht lange. Als er hörte, dass Harry einen Albtraum gehabt hatte und nicht zu trösten war, raste er zu Wendys Haus. Sie öffnete die Tür, bevor er klopfen konnte. Ihren Streit erwähnte sie nicht. Er auch nicht. Was zwischen ihnen vorgefallen war, betraf nur sie beide. Alles was Harry betraf, war nicht nur etwas anderes, sondern hatte im Moment auch Vorrang.
„Wie geht’s ihm?“
Wendy ging ihm voraus die Treppe hinauf. „Als ich dich angerufen habe, hat er aufgehört zu weinen. Demnach war es wohl richtig.“
„Ich schau dann mal nach ihm.“
Er trat in das kleine Zimmer, das seines gewesen war, als er und seine Eltern in diesem Haus lebten. Die in seiner Erinnerung leuchtend blauen Wände waren jetzt in einem beruhigend sanften Blauton gestrichen. Die Bettdecke war mit Eisenbahnen und Müllautos bedruckt. Der Fuß der Lampe hatte die Form eines Fußballs.
Harry saß, halb in die dicke Bettdecke gehüllt, auf dem Bett und schob ein kleines Plastikauto auf seinem Oberschenkel hin und her. „Hi, Cullen.“
Cullen setzte sich aufs Bett. „Hey.“ Er strubbelte Harrys Haar. „Was ist passiert?“
Ohne aufzublicken, sagte der Junge: „Ich hatte einen Albtraum.“
„Was für einen Albtraum?“
Harry zuckte mit den Schultern.
„Monster?“
Er blickte auf. „Nein.“
„Was dann?“
„Die Kinder in der Schule.“
„Ärgern dich die Kinder in der Schule?“
Wieder zuckte er mit den Schultern. „Ein paar.“
„Nur ein paar?“
„Nur einer.“
„Wer denn?“
„Freddie.“
„Tut er dir weh?“
„Nein. Er hat nur gesagt, ich wäre ein Wesen und keiner will mich haben.“
Cullen hielt es für überflüssig, ihm zu erklären, dass er mit Wesen vermutlich Waise meinte, nahm Harry in den Arm und zog ihn auf den Schoß. „Wendy will dich so dringend haben, dass sie deinetwegen vor Gericht gehen wollte. Was meinst du wohl, warum Randy Zamias deiner Mom das Leben so schwer macht?“
Wendy stand vor der Tür und lehnte sich gegen die Wand. Sie fragte sich, ob Cullen sie nur versehentlich als Harrys Mom bezeichnet hatte, bezweifelte es jedoch. Er war äußerst geschickt. Ihm war bewusst, dass Harry Sicherheit, Beständigkeit brauchte, und die gab er ihm auf sehr dezente Weise.
Harry wand sich und blickte zu Cullen auf. „Weil er mich haben will?“
„Nein. Weil er sicher sein musste, dass die richtige Person dich bekommt.“
Harry schob das Auto über seine Pyjamahose und sagte: „Haben die Kinder dich auch geärgert, als du in der Schule warst?“
„Ja, die Kinder haben mich geärgert. Aber nicht aus den Gründen, an die du denkst. Meine Mom war gewissermaßen die Chefin von fast allen Eltern. Als ich in der dritten Klasse war, fanden die Kinder es cool, mich zu hauen und so.“
Wendy musste über die Art lächeln, wie er seine Sprache der von Harry anpasste.
„Unser Nachbar, der Partner meines Dads im Süßwarenladen, hat eines Tages nach der Schule auf mich gewartet und die Sache in die Hand genommen.“
Harry riss die Augen auf. „Ja?“
„Ja. Er hat mir einen nagelneuen Ball, einen Schläger und neun Baseball-Handschuhe gegeben. Genug für eine komplette Mannschaft.“
„Wow.“
„Dann hat er den Kindern gesagt, wenn wir ein Team sein wollen, würde er uns trainieren.“
„Wow.“
Cullen lachte. „Er hatte seine eigenen Kinder trainiert, aber die waren inzwischen zu groß, und er wollte wieder mit Kindern arbeiten.“
Harry schüttelte den Kopf. „Freddie hat längst einen Baseball-Handschuh.“
„Und du brauchst keine Geschenke zu verteilen, um Freunde zu gewinnen. Du hast gesagt, nur dieser Freddie ärgert dich. Mögen dich die anderen Kinder?“
Er nickte.
„Dann musst du Freddie einfach links liegen lassen.“
Wendy war froh, dass er Harry nicht geraten hatte, Freddie zu verprügeln, und atmete erleichtert auf. Gewalt war keine Lösung. Aber sie wollte Freddie auch nicht ungeschoren davonkommen lassen. Morgen würde sie mit dem Schulleiter sprechen.
Harry ließ das kleine Auto wieder über
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