Julia Weihnachtsband Band 26
Cullen sich um Harry kümmerte. Sein Standpunkt war klar. Doch sie hatte ihm auch den ihren verdeutlicht. Er musste aufhören, seinem Interesse an ihr nachzugeben.
Sie schaute nicht einmal kurz in sein Büro, um ihn zu begrüßen, sondern zog ihren Mantel aus, hängte ihn in den kleinen Schrank und machte sich gleich an die Arbeit. Eine halbe Stunde später verließ Cullen sein Büro und blieb überrascht stehen. „Ach, du bist ja hier.“
Sie setzte ihr bestes Verwaltungsassistentinnen-Lächeln auf. Freundlich, aber nicht zu vertraulich. „Schon eine ganze Weile.“
Er lehnte sich gemütlich mit der Hüfte an ihren Schreibtisch, als beabsichtigte er, länger zu bleiben. „Und ist heute Morgen alles gut gegangen?“
„Ja. Harry ist wieder der wonnige kleine Junge von früher.“ Sie schob ihren Schreibtischsessel zurück, stand auf und brachte ein paar Unterlagen zum Aktenschrank, um Distanz zu Cullen herzustellen.
„Das hat ja nicht lange gedauert.“
Sie beschäftigte sich konzentriert mit der Ablage, um ihn nicht ansehen zu müssen, und sagte: „Wie du es vorausgesagt hast, fühlt er sich allmählich bei mir geborgen.“
„Du hörst dich an wie eine Nachrichtensprecherin, wenn du so redest.“
„Tatsächlich?“
Cullen war im Begriff, Ja zu sagen, doch er hielt sich zurück. Das war der Grund, warum sie ihn nach seiner Abreise vermissen würde. Weil sie einander in einer einzigen eisigen Nacht so nahe gekommen war, dass sie sich völlig unbefangen unterhalten konnten. Problemlos. Und für zwei Menschen, die überhaupt nicht zueinander passten, fingen sie wirklich an, einander zu sehr zu mögen. Cullen hatte bereits beschlossen, seine erotischen Wünsche zu kontrollieren, doch jetzt erkannte er, dass diese Kontrolle auch private Gespräche einschließen musste.
Ohne zu antworten, nahm er seinen Platz an Paul McCoys Schreibtisch wieder ein. Er versuchte, die Zahlen der Produktionsberichte zu lesen, doch er konnte sich nicht konzentrieren, und bald verschwammen sie ihm vor den Augen. Ehe er sich’s versah, dachte er daran, wie hübsch Wendy in ihrem blauen Pullover aussah. Mit einem verärgerten Knurren stand er auf, ging zum Fenster und lenkte seine Gedanken in eine erlaubte Richtung: auf Harry. Doch die Gedanken an Harry brachten ihn zwangsläufig wieder zu Wendy.
Er blickte zu ihr hinüber. Sie saß an ihrem Schreibtisch und tippte auf ihrer Tastatur. Sie würde eine großartige Mutter sein, und dafür bewunderte er sie. Er mochte Harry. Genau genommen erkannte er etwas von seiner eigenen Einsamkeit und Unsicherheit als Kind in ihm, wenn er Harry ansah. Er wusste genau, wie Harry sich fühlte, und wenn er einen Wunsch frei hätte, würde er wünschen, dass Harry sich geborgen und sicher fühlte. Immer. Sein ganzes Leben lang.
Er wandte sich wieder zum Fenster um. Er glaubte nicht an Wünsche. Er vertraute auf seine eigenen Fähigkeiten. Schon als Kind hatte er schnell erkannt, dass er selbst der Einzige war, auf den er sich verlassen konnte. Wenn er Harry also helfen wollte, reichte ein Wunsch nicht aus. Er würde schon etwas Maßgebliches unternehmen müssen …
Er kehrte zurück an seinen Schreibtisch, griff zum Telefon und gab die Nummer der Personalabteilung ein. Ja, er konnte etwas tun. Und vielleicht hatte das Schicksal ihn gerade aus diesem Grund nach Barrington gesandt.
Als Poppy Fornwalt sich meldete, sagte Cullen nur: „Ich brauche die detaillierten Gehaltslisten für die letzten sechs Monate.“
Am Mittwochmorgen zog Harry sich allein an und hatte schon Toast für Wendy bereitet, als sie in die Küche kam. Erfreut, weil ihr Leben anscheinend endlich in geregelten Bahnen zu verlaufen begann, umarmte sie ihn, und er servierte ihr voller Stolz einen Toast mit Erdbeermarmelade.
In Gedanken daran, wie schön das Leben jetzt für sie und Harry werden würde, fuhr sie zur Arbeit und wurde aus ihren Träumereien gerissen, als Poppy Fornwalt sie zu sich ins Personalbüro rief.
Mit einem munteren „Hallo“ trat sie ein, und die blauäugige Poppy hob lächelnd den Blick. „Mach die Tür zu.“
Wendy schluckte. „Gewöhnlich forderst du niemanden auf, die Tür zu schließen, es sei denn, du überbringst schlechte Nachrichten.“ Sie zog die Bürotür hinter sich zu.
„Oder wenn wir über Geld reden müssen.“
Wendy nahm vor Poppys Schreibtisch Platz. „Geld?“
„Du musst Mr Barrington ja schwer beeindruckt haben.“
Wendy hob die Brauen. „Beeindruckt?
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