Julia Weihnachtsband Band 26
Unsicherheit überlagerte die großäugige Neugier, und er zögerte, als er die Hand nach einem Plastikrennauto ausstreckte.
„Nur zu, Lucas“, spornte sie ihn an, „das gehört alles dir.“
Endlich gehörte er zu ihnen. Das Glück pulsierte in Holly mit solch einer Wärme, dass sie meinte, im Dunkeln glühen zu müssen. Bis heute hatte das Zimmer etwas unterschwellig Abwartendes ausgestrahlt. Rennwagen stoppten kurz vorm Ziel, Plastikdinosaurier verharrten mitten im Angriff. Alles war fertig gewesen – und bereit.
Erst mit Lucas schienen Möbel und Spielsachen real zu sein. Alle Pläne, alle Hoffnungen waren durch diesen kleinen blonden, blauäugigen Jungen verwirklicht worden.
„Guck mal, Miss Holly!“
Mit beiden Händen schubste Lucas das rote Auto übers Parkett, bis es gegen die Kommode stieß und stehen blieb. „Auto hat gekracht!“, krähte der Kleine.
Sich von Clays unwiderstehlichen Blick lösend, trat Holly ins Zimmer und kniete sich neben Lucas. „Ich hab’s gesehen. Vielleicht müssen wir mit der Feuerwehr zu Hilfe kommen.“
„Okay!“ Lucas schob Holly das Auto zu und rannte los, um das Feuerwehrauto aus dem Spielzeugregal zu holen.
Von der Tür aus beobachtete Clay die beiden in ihrer Fantasiewelt. Nie zuvor hatte er Holly so glücklich erlebt. Zum ersten Mal sah sie wirklich sorglos aus. Die Schatten der Vergangenheit waren verschwunden, die Erinnerungen an ihre eigene unglückliche Kindheit waren ersetzt worden von dem Wunsch, Lucas eine unbeschwerte, glückliche Kindheit zu schenken.
Sie würden eine Familie werden, sie alle drei, gelobte sich Clay. Und wenn der richtige Zeitpunkt gekommen war, würde er Holly die Wahrheit sagen – über alles.
„Hallo Holly, schön, dich wiederzusehen!“ Jillian klang höflich, aber distanziert.
„Ich freue mich auch“, erwiderte Holly mit einem schwachen Lächeln.
„Und das muss Lucas sein.“ Jillian streckte die Hand aus, um Lucas über die blonden Locken zu streichen. Holly musste sich beherrschen, den Jungen nicht wegzuziehen, um ihn vor der Zurückweisung zu schützen, unter der sie als Kind so gelitten hatte.
„Lucas, sag doch mal ‚Hi‘!“, versuchte Clay ihn zu ermutigen.
Der Kleine versteckte sein Gesicht an Hollys Schulter, aber er öffnete und schloss eine Hand zu einem schüchternen Winken. Jillian lächelte, ihre Gesichtszüge wurden weich. „Hallo Lucas!“
Um die Zurückhaltung des Kleinen zu verteidigen, erklärte Holly: „Entschuldige bitte, gegenüber Fremden ist er immer etwas schüchtern.“
Kaum hatte sie es ausgesprochen, wurde Holly rot. „Ich meine …“
„Ich verstehe“, unterbracht Jillian sie sanft. „Es ist alles so schnell gegangen. Wir hatten ja gar keine Möglichkeit, uns kennenzulernen.“
Bei dem Gedanken an die überstürzte Hochzeit wurde die sanfte Röte in Hollys Gesicht zu einem flammenden Rot. Clay unterbrach das peinliche Schweigen mit dem Vorschlag, seiner Mutter Lucas’ Zimmer zu zeigen.
Interessiert schaute Jillian sich um. „Einfach wunderbar!“ Sie wirkte tief beeindruckt. „Das perfekte Zimmer für einen kleinen Jungen.“
„Vielen Dank!“, antwortete Holly, die sich bemühte, die Spannung zwischen ihren Schultern abzuschütteln.
„Du hast das alles selbst gemacht?“, fragte Jillian erstaunt.
„Alles selbst gemacht“, wiederholte Clay.
„Das muss eine Menge Arbeit gewesen sein“, meinte Jillian.
„Mir hat es Spaß gemacht. Wirklich“, erklärte Holly. Irrte sie sich, oder hatte sie aus Clays Bemerkung tatsächlich eine Spitze herausgehört?
Jillian bedankte sich für die dampfende Kaffeetasse, die Clay ihr gereicht hatte. In der Zwischenzeit machte Holly den Kleinen bettfertig, sodass Mutter und Sohn sich zum ersten Mal alleine unterhalten konnten. „Lucas scheint sich hier recht gut eingelebt zu haben“, stellte sie fest.
„Holly ist eine fantastische Mutter.“
„Und was ist mit dir, Clay?“, fragte Jillian. Ihr wissender Blick bestätigte, dass sie ihn noch genauso durchschaute, wie früher. „Bist du auch ein wunderbarer Vater?“
Am liebsten hätte Clay Ja gesagt, aber die Worte kamen ihm nicht über die Lippen. Mit seinem Grübchenlächeln, seiner grenzenlosen Energie und seiner Vorliebe für alles, was mit Autos zu tun hatte, war Lucas ihm natürlich ans Herz gewachsen. Doch wie sein Vater fühlte Clay sich nicht.
Zwischen ihnen stand eine Art Barriere – und Holly war diejenige, die sie errichtet hatte. Sie kümmerte sich so
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