Julia Winterträume Band 8 (German Edition)
In-Lokal und mal was anderes, wenn man freigelegte Kupfer- und Bleirohre in den Wänden sowie Stahlträger und frei schwingende Elektrokabel im Raum mochte. Die Musik war laut und hektisch, und an den viel zu kleinen Tischen drängten sich die Reichen und Schönen und solche, die sich dafür hielten.
Samantha sah umwerfend aus. Jeder Mann im Raum drehte sich nach ihr um, als sie an Jakes Arm das Lokal betrat, und immer wieder zog sie die Blicke anderer Männer an, wenn sie ihre dunkelrote Mähne zurückwarf und über Jakes Scherze lachte.
Sehr schwache Scherze. Als Gesprächspartner erwies Jake sich heute Abend ebenso lahm. Er musste ständig an Catarina denken und daran, wie zutiefst enttäuscht sie ausgesehen hatte, als er ihr mitteilte, dass er ausgehen würde.
„Mit einer Frau?“
„Genau“, hatte er fast grausam betont, „mit einer Frau. Aber du wirst nicht allein sein müssen, ich habe Anna gebeten, heute Abend hier zu bleiben.“
„Ich brauche keinen Babysitter.“
Er hatte erwidert, dass er das wisse und Anna nur bleibe, um ihr Gesellschaft zu leisten. Dann wurde ihm klar, dass Catarina abends nie Gesellschaft hatte. Weil er sich jeden Abend in die Sicherheit seines Schlafzimmers zurückzog.
Catarina war davongestürmt, und ihm waren noch genau vierzig Minuten geblieben, um zu duschen, sich umzuziehen und zu Sam zu fahren.
Jetzt saß er hier, zusammen mit Sam, und schaute alle paar Minuten verstohlen auf seine Armbanduhr.
„… sagst du dazu, Jake?“
Er blinzelte. Sams perfekt zurechtgemachtes Gesicht wurde deutlicher. Sie hatte sich vorgebeugt, ihr Dekolleté lockte, aber in ihren Augen stand ein erboster Glanz.
„Entschuldige, ich habe dich nicht richtig gehört.“
„Wie solltest du auch? Du bist meilenweit weg.“
„Entschuldige“, sagte er noch einmal. „Probleme in der Firma. Du weißt ja, wie das ist.“
„Nein, weiß ich nicht. Du meldest dich wochenlang nicht, dann lädst du mich zum Dinner ein – und wo bist du jetzt?“
„Sam …“
„Soll das hier ein …“, sie fuhr sich über die Lippen, „… ein Abschiedsessen sein? Denn wenn es eines sein soll, wenn du unsere Beziehung beenden willst, dann …“
„Nein“, beeilte Jake sich zu sagen. „Das ist es nicht. Mir geht nur … viel im Kopf herum.“
„Was?“
Jake betrachtete Sam. Sie war erfahren. Weltgewandt. Tolerant. Vielleicht konnte sie ihm ja helfen, ihm einen Ratschlag geben, wie man mit einer Frau umging, die bis vor zwei Wochen ein völlig behütetes Leben gelebt hatte.
Er räusperte sich. „Jemand … jemand ist gestorben.“
„Oh Jake, das tut mir leid …“
„Niemand, den ich persönlich kenne.“ Er schob seinen Teller von sich. Wo sollte er ansetzen? „Die Sache ist zu kompliziert, um die Details zu erklären, aber … man hat mir eine schwierige Verantwortung übertragen.“
„Welche?“
„Ich soll ein Mädchen in die Gesellschaft einführen. Um genau zu sein: in die brasilianische Gesellschaft.“
„Hier in New York?“
„Ja.“
Sam runzelte die Stirn. Oder hätte sie gerunzelt, wenn sie nicht darauf hätte achten wollen, ihr perfektes Make-up nicht zu ruinieren. So hob sie nur eine Augenbraue. „Wie alt ist dieses Mädchen?“, fragte sie scharf.
Hoppla! Er begab sich hier eindeutig auf Glatteis. Wie war er nur auf die Idee gekommen, ausgerechnet Samantha gegenüber Catarina zu erwähnen? „Ach, vergessen wir es einfach. Wie wär’s mit Dessert? Ich weiß, du zählst immer Kalorien, aber …“
„Ich fragte, wie alt das Mädchen ist, Jake.“
„Nun, sie ist nicht unbedingt ein Mädchen.“
Sams strahlende Augen waren jetzt nur noch Schlitze. „Ein Teenager?“
Jake schüttelte den Kopf. „Nein, auch nicht so richtig.“
„Also, ihr richtiges Alter?“
„Sie … äh … ist gerade einundzwanzig geworden.“
Konnte eine Frau überhaupt etwas sehen, wenn sie die Augen so sehr zusammenkniff?
„Also eine Frau.“
„Nun ja … so ungefähr.“
„So ungefähr also“, wiederholte Samantha beißend. „Und wie sieht sie aus?“
Er wusste, was sie meinte. Deswegen musste er ihre Frage aber noch lange nicht beantworten. „Oh, groß. Gut eins fünfundsiebzig …“
„Wie sie aussieht, Jake. Ist sie attraktiv?“
Wie zum Teufel hatte er so dumm sein können! „Könnte man wohl sagen, ja.“
„Könnte man also sagen.“ Sam griff nach ihrem Weinglas. „Und wo hast du sie versteckt?“
„Wenn du damit meinst, wo Cat wohnt …“
„Cat?“ Sams Augen
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