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Julia

Julia

Titel: Julia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Fortier
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Geschichte zu beginnen, die er mir eigentlich hatte erzählen wollen, so dass zwischen uns erneut verlegenes Schweigen herrschte.
    »Einen Cappuccino, bitte«, wandte sich Janice an den Kellner und klang dabei fürchterlich nach einer Amerikanerin, die auf deutsche Touristin machte, »und zwei Biscotti !«
    Ich hätte sie umbringen können. Für mich stand außer Frage, dass Alessandro gerade im Begriff gewesen war, mir etwas ungeheuer Wichtiges zu eröffnen. Nun aber sprach er wieder vom Palio, während der Kellner wie ein bettelnder Hund am Nebentisch stehen blieb, um meiner schamlosen Schwester zu entlocken, aus welchem Teil Deutschlands sie kam.
    »Prag!«, trompetete sie, korrigierte sich dann aber rasch, »Prag ... heim ... Stadt.«
    Zufrieden mit dieser Antwort, zog der Kellner völlig hingerissen ab, um sich mit dem glühenden Eifer eines Ritters der Tafelrunde um ihre Bestellung zu kümmern.
    »Sieh dir die Balzana an ...« Alessandro, der davon ausging, dass ich ihm aufmerksam zuhörte, deutete auf das Wappen von Siena, das an der Seite meiner Cappuccinotasse prangte. »Eine ganz einfache Sache. Schwarz und Weiß. Flüche und Segnungen.«
    Ich starrte auf die Tasse. »Das bedeutet es also? Flüche und Segnungen?«
    Er zuckte mit den Achseln. »Jeder kann darin sehen, was er will. Für mich ist es so eine Art Positionsanzeiger.«
    »Positionsanzeiger? Du meinst, im Sinne von ... das Glas ist halb voll?«
    »Es ist ein Instrument. In einem Cockpit. Es zeigt dir, ob du auf dem Kopf stehst oder nicht. Wenn ich die Balzana sehe, weiß ich, dass ich richtig herum unterwegs bin.« Obwohl Janice neben uns saß, legte er seine Hand auf meine. »Und wenn ich dich ansehe, weiß ich ...«
    Rasch entzog ich ihm meine Hand, weil ich nicht wollte, dass Janice mich hinterher damit nervte. »Welcher Pilot«, fragte ich schnippisch, »braucht extra ein Instrument, um zu wissen, wann er auf dem Kopf fliegt?«
    Alessandro verstand nicht, wieso ich mich plötzlich so ablehnend verhielt. »Warum bist du immer auf Streit aus?«, fragte er leise. »Warum hast du solche Angst ...« - wieder griff er nach meiner Hand - »glücklich zu sein?«
    Das war zu viel. Janice, die einfach nicht mehr konnte, brach hinter ihrem deutschen Reiseführer in lautes Gelächter aus. Obwohl sie versuchte, es als Hustenanfall zu tarnen, war selbst Alessandro klar, dass sie jedes Wort unseres Gesprächs mit angehört hatte. Er bedachte sie mit einem derart bösen Blick, dass ich ihn gleich noch viel mehr ins Herz schloss. »Es tut mir leid«, wandte er sich an mich, während er nach seiner Geldbörse griff, »aber ich muss zurück.«
    »Die Rechnung übernehme ich«, erklärte ich. Ohne mich von der Stelle zu rühren, fügte ich hinzu: »Ich glaube, ich trinke noch einen Kaffee. Hast du später Zeit für mich? Du schuldest mir noch eine Geschichte.«
    »Keine Sorge«, antwortete er und strich mir sanft über die Wange, ehe er aufstand, »du bekommst deine Geschichte.«
    Sobald er außer Hörweite war, drehte ich mich wutentbrannt nach Janice um. »Musstest du unbedingt kommen und alles kaputtmachen?«, zischte ich, ohne Alessandros kleiner werdende Gestalt aus den Augen zu lassen. »Er wollte mir gerade etwas erzählen. Etwas über Luciano Salimbeni!«
    »Oh, tut mir leid«, sagte sie mit honigsüßer, vor Falschheit triefender Stimme. »Ich wollte dein kleines Tète-à-tète mit dem Typen, der dein Hotelzimmer verwüstet hat, wirklich nicht stören. Sag mal, Jules, hast du den Verstand verloren?«
    »Ich bin mir gar nicht so sicher, ob er wirklich ...«
    »O doch! Ich habe ihn gesehen, hast du das vergessen?« Als Janice merkte, dass ich immer noch Zweifel hegte, schleuderte sie wutschnaubend ihren Führer auf den Tisch. »Ja, er ist supersüß, und ja, ich würde auch gern seine Briefmarkensammlung lecken, aber ich verstehe trotzdem nicht, wie du dich so von ihm manipulieren lassen kannst! Es wäre etwas anderes, wenn er dir nur an die Wäsche wollte, aber du weißt doch, worum es ihm in Wirklichkeit geht!«
    »Ehrlich gesagt«, antwortete ich in eisigem Ton, »bin ich mir da nicht so sicher. Aber du hast ja offenbar jede Menge Erfahrung mit Ganoven aller Art, also erleuchte mich!«
    »Lieber Himmel!«, stöhnte Janice, fassungslos über so viel Naivität. »Es liegt doch auf der Hand, warum er ständig um dich rumscharwenzelt - damit er ja nicht verpasst, wenn du losziehst, Julias Grab zu plündern. Lass mich raten: Er hat dich nie explizit nach dem

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