Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Julia

Julia

Titel: Julia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Fortier
Vom Netzwerk:
Bett sinken lassen und die Hände vors Gesicht geschlagen. »Um Himmels willen!«, stöhnte sie. »Ich glaube es einfach nicht! Lass mich raten: El Nino kommt auch?«
    Ich warf entnervt die Arme hoch. »Jetzt hör aber auf, Jan! Möchtest du der Sache denn nicht auf den Grund gehen? Ich schon!«
    »Und das wirst du auch!« Janice sprang vom Bett auf und stapfte mit geballten Fäusten hin und her. »Du wirst irgendwo tief unten auf dem Grund landen, das steht fest, und zwar mit gebrochenem Herzen und einbetonierten Füßen. Ich schwöre bei Gott ... wenn du das durchziehst und wie unsere Vorfahren endest, die angeblich alle unter Eva Marias Haustreppe begraben liegen, dann rede ich nie wieder ein Wort mit dir!«
    Sie starrte mich kampflustig an, und ich starrte ungläubig zurück. Das war nicht die Janice, die ich kannte. Der Janice, die ich kannte, wäre es völlig egal gewesen, wo ich hinwollte oder wie ich endete, Hauptsache, ich scheiterte mit all meinen Vorhaben möglichst kläglich. Bei der Vorstellung, jemand könnte auf die Idee kommen, mir die Füße einzubetonieren, hätte sie sich früher lachend auf die Schenkel geklatscht, statt sich wie jetzt bekümmert auf die Lippe zu beißen, als wäre sie den Tränen nahe.
    »Na schön«, fuhr sie in ruhigerem Ton fort, da ich nicht reagierte, »dann renn doch da hin und riskiere dein Leben bei irgendeinem ... satanischen Ritual. Mir doch egal!«
    »Ich habe nicht gesagt, dass ich fahre.«
    Sie entspannte sich ein wenig. »Oh ! Na, wenn das so ist, wird es höchste Zeit, dass wir beide uns ein gelato gönnen.«
     
    Den Rest des Nachmittags verbrachten wir damit, in der Bar Nannini, die praktischerweise nahe der Piazza Salimbeni lag, alte und neue Eisgeschmacksrichtungen auszuprobieren. Obwohl wir uns nicht direkt versöhnt hatten, waren wir uns mittlerweile in immerhin zwei Punkten einig: Erstens wussten wir viel zu wenig über Alessandro, um ein gutes Gefühl dabei zu haben, wenn er am nächsten Tag mit mir wegfuhr, und zweitens war gelato besser als Sex.
    »Was das betrifft, kannst du mir wirklich vertrauen«, meinte Janice mit einem verschwörerischen Augenzwinkern, das mich wohl aufheitern sollte.
    Ungeachtet ihrer vielen Fehler war meine Schwester seit jeher mit einer ungeheuren Hartnäckigkeit gesegnet, so dass sie nun drei Stunden lang mehr oder weniger allein Ausschau hielt, während ich in der hinteren Ecke der Eisdiele auf einer Bank hockte und mich bei dem Gedanken, ertappt zu werden, schon im Voraus schämte.
    Plötzlich zerrte Janice wortlos an meinem Arm. Es war auch gar nicht nötig, dass sie etwas sagte. Gemeinsam beobachteten wir durch die Glastür, wie Alessandro die Piazza Salimbeni überquerte und dann in den Corso einbog.
    »Er geht Richtung Zentrum!«, stellte Janice fest. »Habe ich es doch gewusst! Solche Typen wohnen nicht am Ortsrand. Oder vielleicht ...«, - sie sah mich an und klimperte mit den Wimpern -, »will er zu seiner Geliebten.« Wir reckten beide den Hals, um einen besseren Blick zu haben, doch von Alessandro war nichts mehr zu sehen. »Verdammt!« Hastig verließen wir die Bar Nannini und eilten die Straße entlang, so schnell wir konnten, ohne zu viel Aufmerksamkeit zu erregen - was in Janices Gesellschaft immer eine Herausforderung darstellte. »Warte!« Ich packte sie am Arm, um sie ein wenig abzubremsen. »Ich sehe ihn! Er ist direkt ... oh-oh!«
    Alessandro war stehen geblieben. Rasch gingen wir in einem Hauseingang in Deckung. »Was macht er?«, zischte ich. Vor lauter Angst, von ihm entdeckt zu werden, traute ich mich nicht, selbst hinauszuspähen.
    »Er redet auf irgendeinen Typen ein«, berichtete Janice, die wagemutig den Hals reckte, »einen Kerl mit einer gelben Fahne. Was soll denn das mit den ganzen Fahnen? Jeder hat hier ...«
    Wenige Augenblicke später waren wir wieder auf der Pirsch, wobei wir dicht an den Schaufenstern und Hauseingängen entlangschlichen, um ja nicht von ihm gesehen zu werden. Auf diese Weise folgten wir unserer Beute die ganze Straße entlang, vorbei am Campo und weiter in Richtung Piazza Postieria. Er hatte bereits mehrfach haltgemacht, um Leute zu begrüßen, die in die Gegenrichtung unterwegs waren, doch je steiler die Straße wurde, umso mehr Freunde traf er.
    »Also ehrlich!«, ereiferte sich Janice, als Alessandro ein weiteres Mal stehen blieb, um ein Baby in einem Kinderwagen zu betüddeln. »Kandidiert dieser Kniich eigentlich als Bürgermeister?«
    »Man nennt das zwischenmenschliche

Weitere Kostenlose Bücher