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Julia

Julia

Titel: Julia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Fortier
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Nachdem ich Janice in den dunklen Eingangsbereich gefolgt war, hatte ich zunächst befürchtet, sie würde mich geradewegs in den zweiten Stock schleifen, Alessandros Tür eintreten und ihn mit Fragen bombardieren. Dann aber sah ich, dass es keine Treppe gab, und entspannte mich etwas.
    Am Ende des Gangs stand eine Tür ein Stück weit offen, und wir reckten beide den Hals, um zu sehen, was sich auf der anderen Seite befand.
    »Fahnen!«, bemerkte Janice, sichtlich enttäuscht. »Jede Menge Fahnen. Irgendjemand steht hier ziemlich auf Gelb. Und Vögel.«
    »Es ist ein Museum«, klärte ich sie auf, nachdem ich an den Wänden ein paar Cenci entdeckt hatte, »ein Contradenmuseum, genau wie das von Peppo. Ich frage mich ...«
    »Cool«, meinte Janice und stieß die Tür ganz auf, ehe ich Einspruch erheben konnte, »lass es uns ansehen. Du stehst doch auf staubigen alten Kram.«
    »Bist du verrückt?« Ich versuchte sie zurückzuhalten, aber sie schüttelte meine Hand ab und betrat kühn den Raum. »Komm zurück!Jan!«
    »Was für ein Mann«, überlegte sie laut, während sie den Blick über die ausgestellten Kunstgegenstände schweifen ließ, »wohnt in einem Museum? Das ist irgendwie unheimlich.«
    »Nicht in, sondern über einem Museum«, korrigierte ich sie. »Außerdem bewahren sie hier ja nicht gerade Mumien auf.«
    »Woher willst du das wissen?« Sie klappte das Visier einer Rüstung hoch, um auf Nummer sicher zu gehen. »Vielleicht Pferdemumien. Womöglich halten sie hier ihre geheimen Blutrituale ab und beschwören die Geister der Toten.«
    »Ja, klar.« Ich funkelte sie von der anderen Seite der Tür bitterböse an. »Gut, dass du der Sache hiermit auf den Grund gegangen bist.«
    »Hey, nun sei doch nicht so!« Entnervt warf sie die Arme in die Luft. »Mehr konnte mir Peppo nun mal nicht sagen!«
    Ich sah ihr dabei zu, wie sie noch eine Minute auf Zehenspitzen herumschlich und so tat, als würde sie sich für die Ausstellung interessieren. Wir wussten beide, dass sie das nur machte, um mich zu ärgern. »Na«, zischte ich schließlich, »hast du jetzt genug Fahnen gesehen?« Statt mir eine Antwort zu geben, verschwand Janice einfach durch eine Tür in einen weiteren Raum, so dass ich, halb hinter der Tür verborgen, alleine zurückblieb.
    Ich brauchte eine Weile, bis ich sie gefunden hatte. Sie wanderte gerade in einer kleinen Kapelle umher, wo auf dem Altar Kerzen brannten und an sämtlichen Wänden wunderbare alte Ölgemälde hingen. »Nicht schlecht!«, meinte sie, als ich schließlich neben sie trat. »Wie würde dir das als Wohnzimmer gefallen? Was sie hier drin wohl treiben? Aus menschlichen Eingeweiden die Zukunft lesen?«
    »Ich hoffe, sie verwenden dafür als Nächstes die deinen! Würde es dir etwas ausmachen, wenn wir jetzt gehen?«
    Doch bevor sie mir eine freche Antwort geben konnte, hörten wir beide Schritte. Eilig verließen wir die Kapelle, um uns im angrenzenden Raum ein Versteck zu suchen, und stellten uns dabei vor lauter Panik fast gegenseitig ein Bein.
    »Hier!« Ich zog Janice in eine Ecke hinter einem Glasschrank voller ramponierter Reithelme. Fünf Sekunden später ging eine ältere Frau mit einem Arm voller gefalteter gelber Kleidungsstücke direkt an uns vorbei, gefolgt von einem etwa achtjährigen Jungen, der die Hände in die Hosentaschen geschoben hatte und ein missmutiges Gesicht zog. Während die Frau den Raum zielstrebig durchquerte, blieb der Junge bedauerlicherweise keine drei Meter von unserem Versteck entfernt stehen, um sich die antiken Schwerter an der Wand anzusehen.
    Janice schnitt eine Grimasse, doch keine von uns beiden wagte sich zu bewegen, geschweige denn zu flüstern. Stattdessen kauerten wir uns weiter wie Bilderbuchsünder in unsere Ecke. Zum Glück war der Junge zu sehr auf seinen eigenen Unfug fixiert, um auf irgendetwas anderes zu achten. Er überzeugte sich davon, dass seine Großmutter wirklich weg war, und versuchte dann auf Zehenspitzen, einen der Degen von seinen Haken an der Wand zu heben. Was ihm schließlich auch gelang. Stolz nahm er damit ein paar Fechtpositionen ein, die gar nicht so übel aussahen. Völlig in sein unerlaubtes Abenteuer versunken, bekam er erst viel zu spät mit, dass eine weitere Person den Raum betreten hatte.
    »No-no-no!«, schimpfte Alessandro, während er quer durch den Raum stürmte und dem Jungen den Degen abnahm. Doch statt ihn sofort an die Wand zurückzuhängen, wie es jeder ver-antwortungsbewusste Erwachsene getan

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