Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Julia

Julia

Titel: Julia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Fortier
Vom Netzwerk:
des Tunnels erreichten, war ich genauso erleichtert wie die Männer, dass am anderen Ende kein großer Steinblock oder Geröllhaufen den Weg versperrte und uns zum Umkehren zwang. Stattdessen landeten wir in einer Art Höhle, die etwa sechs Meter breit und so hoch war, dass jeder von uns aufrecht stehen konnte.
    »E ora?«, fragte Cocco, sobald Janice und ich uns aufgerichtet hatten. Diesmal brauchten wir Umberto nicht mehr als Übersetzer. Was nun? Das war in der Tat die Frage.
    »O nein«, flüsterte Janice so leise, dass nur ich es hören konnte, »eine Sackgasse!«
    Hinter uns kamen die restlichen Männer zum Vorschein, unter anderem auch Bruder Lorenzo, dem der Aasgeier und ein anderer Typ mit Pferdeschwanz aus dem Tunnel halfen, als wäre er ein Prinz, der gerade von königlichen Hebammen entbunden wurde. Zum Glück hatte jemand die Güte besessen, dem alten Mönch die Augenbinde abzunehmen, ehe sie ihn in das Loch geschoben hatten, so dass Bruder Lorenzo nun neugierig vortrat und dabei voller Verwunderung die Augen aufriss, als hätte er völlig vergessen, welch gewaltsamen Umständen er sein Hiersein verdankte.
    »Was sollen wir denn jetzt machen?«, zischte Janice, die verzweifelt versuchte, Blickkontakt mit Umberto aufzunehmen. Der jedoch war viel zu sehr damit beschäftigt, seine Hose vom Staub zu befreien, um die plötzliche Spannung in der Luft zu registrieren. »Was heißt Sackgasse auf Italienisch?«
    Zum Glück täuschte sich Janice. Als ich die Höhle etwas genauer in Augenschein nahm, stellte ich fest, dass es in Wirklichkeit sogar zwei Ausgänge aus der Höhle gab, mal ganz abgesehen von dem Wurmloch, durch das wir soeben hereingekommen waren. Einer befand sich an der Decke, doch dabei handelte es sich um einen langen, dunklen Schacht, in dem ganz oben etwas steckte, das nach einem Betonblock aussah. Selbst mit einer Leiter wäre er unmöglich zu erreichen gewesen. Für mich hatte das Ganze große Ähnlichkeit mit einem Müllschacht - ein Eindruck, der durch die Tatsache bestätigt wurde, dass sich der zweite Ausgang direkt darunter im Boden befand. Zumindest nahm ich an, dass sich unter der rostigen, mit einer dicken Schicht aus Staub und Geröll bedeckten Metallplatte im Boden der Höhle eine Öffnung verbarg. Alles, was von oben herabgeworfen wurde, musste rein theoretisch -vorausgesetzt, beide Löcher waren offen - schnurstracks und ohne Zwischenstopp durch die Höhle und weiter in die Tiefe fallen.
    Als mir bewusst wurde, dass Cocco in froher Erwartung neuer Weisungen immer noch Janice und mich anstarrte, tat ich das einzig Logische und deutete auf die Metallplatte auf dem Boden. »Sucht, späht, erforscht«, sagte ich, krampfhaft bemüht, mir eine möglichst orakelhaft klingende Weisung einfallen zu lassen, »zu euren Füßen. Denn hier liegt Julia.«
    »Ja«, nickte Janice und zerrte dabei nervös an meinem Arm, »hier liegt Julia!«
    Nach einem fragenden Blick zu Umberto, der zustimmend nickte, befahl Cocco seinen Mannen, sich die Metallplatte vorzunehmen und zu versuchen, sie mit ihren Brecheisen zu lockern und zur Seite zu schieben. Dabei gingen sie so heftig zu Werke, dass Bruder Lorenzo sich in eine Ecke zurückzog und den Rosenkranz zu beten begann.
    »Der arme Kerl!«, bemerkte Janice und biss sich dabei auf die Unterlippe. »Der ist doch völlig von der Rolle! Ich hoffe nur ...« Sie sprach es nicht aus, doch ich wusste auch so, was sie dachte, weil mir der gleiche Gedanke schon vor geraumer Zeit gekommen war. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis auch Cocco merkte, dass er nur unnötigen Ballast darstellte. Wenn das passierte, würden wir nicht das Geringste tun können, um ihn zu retten.
    Zwar waren unsere Hände nun nicht mehr gefesselt, aber wir wussten beide, dass wir noch genauso in der Falle saßen wie vorher. Nachdem der letzte Mann aus dem Tunnel getreten war, hatte der Typ mit dem Pferdeschwanz direkt vor der Öffnung Stellung bezogen, um dafür zu sorgen, dass niemand auf die dumme Idee kam, einen Fluchtversuch zu unternehmen. Deswegen gab es für Janice und mich - mit oder ohne Umberto und Bruder Lorenzo - nur einen einzigen Ausweg aus dieser Höhle: Wir mussten wie alle anderen hinunter in den Ausguss.
    Als sich der Metalldeckel schließlich löste, kam darunter tatsächlich eine Öffnung zum Vorschein, die so groß war, dass ein Mann hindurchpasste. Cocco trat vor und leuchtete mit seiner Taschenlampe hinunter, woraufhin die anderen Männer nur den Bruchteil einer

Weitere Kostenlose Bücher