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Julia

Julia

Titel: Julia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Fortier
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Sekunde zögerten, ehe sie unter halbherzigem Gemurmel seinem Beispiel folgten. Aus der dunklen Tiefe stieg ein ausgesprochen übler Geruch herauf. Janice und ich waren nicht die Einzigen, die sich anfangs die Nase zuhielten, doch schon nach ein paar Augenblicken empfanden wir ihn nicht mehr als völlig unerträglich. Wir gewöhnten uns langsam ein bisschen zu sehr an den Gestank der Verwesung.
    Was auch immer Cocco dort unten sah, ließ ihn bloß mit den Achseln zucken. »Un bei niente«, bemerkte er.
    »Er sagt, da ist nichts«, übersetzte Umberto stirnrunzelnd.
    »Was zum Teufel hat er erwartet?«, höhnte Janice. »Ein Neonschild mit der Aufschrift: Grabräuber in diese Richtung?«
    Ihr Kommentar ließ mich erschrocken den Kopf einziehen, und als ich dann auch noch sah, wie sie Cocco provozierend anfunkelte, war ich sicher, dass er gleich mit einem großen Satz über das Loch im Boden direkt an ihre Gurgel springen würde.
    Doch das tat er nicht. Stattdessen musterte er sie auf eine gruselige, abschätzende Weise. Schlagartig begriff ich, dass meine clevere Schwester schon die ganze Zeit herauszufinden versuchte, wie sie ihn am besten an die Angel bekam. Aber warum? Weil das unsere einzige Chance war, diesen Ausflug lebend zu überstehen.
    »Dai, daü«, sagte er nur und forderte seine Männer mit einer Handbewegung auf, nacheinander in das Loch hinunterzuspringen. Als ich mitbekam, wie sie sich vorher alle sammelten und dann mit einem gedämpften Japsen auf dem Boden der unteren Höhle aufkamen, wurde mir klar, dass es so weit hinunterging, dass der Sprung eine gewisse Herausforderung darstellte, aber doch nicht weit genug, um den Einsatz eines Seils zu rechtfertigen.
    Schließlich waren wir an der Reihe. Janice, die Cocco wohl demonstrieren wollte, dass wir keine Angst hatten, trat sofort vor. Trotzdem streckte er - vermutlich zum ersten Mal in seiner Karriere - die Hand aus, um ihr zu helfen, doch statt danach zu greifen, spuckte Janice ihm auf die Handfläche, ehe sie sich abstieß und durch das Loch verschwand. Erstaunlicherweise bleckte er bloß die Zähne und sagte etwas zu Umberto, das ich zum Glück nicht verstand.
    Als ich sah, dass Janice mir bereits von unten zuwinkte und der Höhenunterschied höchstens zweieinhalb bis drei Meter betrug, ließ ich mich ebenfalls in den Wald aus Armen fallen, die sich mir entgegenreckten, um mich in Empfang zu nehmen. Nachdem sie mich aufgefangen und auf dem Boden abgesetzt hatten, schien allerdings einer der Männer der Meinung zu sein, sich dadurch das Recht erworben zu haben, mich zu begrabschen. Vergeblich versuchte ich, seine Hände abzuschütteln.
    Lachend packte er mich an beiden Handgelenken und versuchte die anderen dazu zu bringen, bei dem Spaß mitzumachen, doch genau in dem Moment, als ich spürte, wie ein Gefühl von Panik in mir hochstieg, eilte Janice mir zu Hilfe, indem sie eine Bresche durch all die Hände und Arme schlug, um anschließend zwischen mir und den Männern Stellung zu beziehen.
    »Ihr wollt ein bisschen Spaß?«, fragte sie und verzog dabei angewidert das Gesicht. »Das wollt ihr doch, oder? Was haltet ihr dann von ein bisschen Spaß mit mir ... ?« Sie begann sich das eigene Hemd vom Leib zu reißen und legte dabei eine solche Wut an den Tag, dass die Männer gar nicht recht wussten, wie sie reagieren sollten. Vom Anblick ihres BHs wie gebannt, wichen sie langsam zurück - mit Ausnahme des Kerls, der angefangen hatte. Immer noch höhnisch grinsend, streckte er kühn die Arme aus, um ihre Brüste zu berühren, wurde dabei jedoch von einer ohrenbetäubenden Maschinenpistolensalve unterbrochen, die uns alle vor Schreck und Angst zur Seite springen ließ.
    Wenige Augenblicke später streckte ein prasselnder Regen aus Sandstein alle nieder. Während ich mit dem Kopf auf dem Boden aufschlug und spürte, wie sich mein Mund und meine Nasenlöcher mit Staub füllten, hatte ich das schwindelerregende Gefühl, mich plötzlich wieder in Rom zu befinden und vor lauter Tränengas keine Luft mehr zu bekommen. Genau wie damals empfand ich Todesangst. Mehrere Minuten lang hustete ich so heftig, dass ich mich fast übergeben musste, und den anderen erging es wohl ähnlich. Alle um mich herum waren zu Boden gegangen - einschließlich Janice. Das einzig Tröstliche war, dass sich der Untergrund der Höhle gar nicht richtig fest, sondern seltsam federnd anfühlte. Wäre es ein harter Steinboden gewesen, hätte ich durch meinen Aufprall bestimmt das

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