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Julia

Julia

Titel: Julia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Fortier
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Mischung aus Erde und Asche anfühlte, bestand der Höhlenboden aus dicht aufgehäuften, willkürlich ineinandergreifenden menschlichen Knochen.
     

IX.III
    Ein Grab? Nein, eine Leucht', erschlagner Jüngling!
    Denn hier liegt Julia: ihre Schönheit macht
    Zur lichten Feierhalle dies Gewölb
     
    Meine makabre Entdeckung ließ alle vor Ekel zurückweichen. Janice musste sich fast übergeben, als sie sah, was ich gefunden hatte. »O mein Gott«, keuchte sie, »ein Massengrab!« Während sie rückwärts stolperte, presste sie ihren Ärmel gegen Mund und Nase. »Von allen widerwärtigen Orten dieser Welt... ausgerechnet eine Pestgrube! Mikroben! Wir werden alle sterben!«
    Ihre Panik bewirkte, dass auch die Männer eine Welle der Angst überkam, so dass Cocco sich die Lunge aus dem Leib schreien musste, um alle wieder einigermaßen zu beruhigen. Der Einzige, der keinen übermäßig bestürzten Eindruck machte, war Bruder Lorenzo. Er senkte lediglich den Kopf und begann zu beten, vermutlich für die Seelen der Verstorbenen, von denen es hier - je nachdem, wie tief die Höhle tatsächlich war -Hunderte geben musste, wenn nicht Tausende.
    Cocco aber war nicht nach Gebeten zumute. Nachdem er den Mönch mit dem Kolben seiner Maschinenpistole zur Seite gestoßen hatte, richtete er die Waffe direkt auf mich und bellte irgendetwas Unerfreuliches.
    »Er möchte wissen, wie es von hier aus weitergeht«, übersetzte Umberto, dessen Stimme ein ruhiges Gegengewicht zu Coccos Hysterie bildete. »Er sagt, du hast behauptet, Giulietta sei in dieser Höhle begraben.«
    »Das habe ich keineswegs behauptet ...«, widersprach ich, obwohl ich genau wusste, dass er recht hatte. »Bei Mom heißt es ... geht durch die Tür, denn hier liegt Julia.«
    »Welche Tür?«, fragte Cocco, der demonstrativ hierhin und dorthin blickte. »Ich sehe keine Tür!«
    »Es muss hier aber irgendwo eine geben«, log ich.
    Cocco verdrehte die Augen und stieß irgendetwas Abfälliges aus, bevor er wütend davonstapfte.
    »Er glaubt dir nicht«, erklärte Umberto in grimmigem Ton. »Er hat den Verdacht, dass du ihn zum Narren hältst. Deswegen wird er jetzt mit Bruder Lorenzo sprechen.«
    Mit wachsender Besorgnis beobachteten Janice und ich, wie sich die Männer um den Mönch scharten und ihn mit Fragen zu bombardieren begannen. Vor Angst ganz starr, gab Bruder Lorenzo sich sichtlich Mühe zu verstehen, was sie sagten, doch da sie alle durcheinanderschrien, schloss er nach einer Weile einfach die Augen und hielt sich die Ohren zu.
    »Stupido!«, schimpfte Cocco und erhob die Hand gegen den alten Mann.
    »Nein!« Janice stürmte vor und packte Cocco am Ellbogen, um ihn davon abzuhalten, Bruder Lorenzo etwas zu tun. »Lasst es mich versuchen! Bitte!«
    Ein paar eisige Sekunden lang sah es aus, als hätte meine Schwester ihre Wirkung auf den Gangster überschätzt. Nach der Art zu urteilen, wie Cocco auf seinen Ellbogen starrte - den Janice immer noch mit beiden Händen umklammerte -, konnte er kaum fassen, dass sie tatsächlich die Dreistigkeit besessen hatte, ihn zurückzuhalten.
    Janice, die wahrscheinlich selbst gerade merkte, dass sie einen Fehler gemacht hatte, ließ rasch Coccos Arm los und fiel auf die Knie, um stattdessen unterwürfig seine Beine zu umschlingen. Nach ein paar weiteren Augenblicken der Verblüffung hob Cocco grinsend die Hände und sagte zu seinen Kumpanen etwas, das klang wie: Weiber! Was soll man da machen?
    So kam es, dass wir dank Janice ungestört mit Bruder Lorenzo sprechen durften, während Cocco und seine Mannen sich Zigaretten anzündeten und anfingen, einen menschlichen Schädel herumzukicken, als handelte es sich um einen Fußball.
    Wir stellten uns so hin, dass Bruder Lorenzo von ihrem widerlichen Treiben nichts mitbekam, und fragten ihn dann - mit Umbertos Hilfe -, ob er eine Ahnung habe, wie wir von dort, wo wir uns gerade befanden, zu Romeos und Giuliettas Grab gelangen konnten. Doch sobald er die Frage verstanden hatte, wurde die Miene des Mönchs abweisend. Er schüttelte den Kopf und beschränkte sich auf eine sehr knappe Antwort.
    »Er sagt«, übersetzte Umberto, »dass er diesen bösen Männern nicht zeigen will, wo das Grab ist. Er weiß, sie werden es entweihen. Und er sagt, dass er keine Angst hat zu sterben.«
    »Gott steh uns bei!«, murmelte Janice leise. Dann legte sie Bruder Lorenzo eine Hand auf den Arm und erklärte: »Wir verstehen Ihren Standpunkt. Aber sie werden auch uns töten, und anschließend werden sie

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