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Julia

Julia

Titel: Julia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Fortier
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die damals zu seiner Zeit passiert ist und die nicht offen diskutiert werden durfte.« Sie deutete auf das Fresko. »Sehen sie den kleinen Vogelkäfig in dem Fenster dort oben? Was, wenn ich Ihnen sage, dass dieses Gebäude der Palazzo Salimbeni ist, und der Mann, den man darin sieht, Salimbeni selbst, der wie ein König auf seinem Thron sitzt, während zu seinen Füßen die Leute buckeln, weil sie sich Geld von ihm leihen wollen?«
    Da ich spürte, dass ihr die Geschichte irgendwie unangenehm war, lächelte ich Eva Maria an - fest entschlossen, nicht zuzulassen, dass die Vergangenheit zwischen uns stand. »Sie klingen nicht besonders stolz auf ihn.«
    Sie schnitt eine Grimasse. »Oh, er war ein großer Mann, aber Maestro Ambrogio mochte ihn nicht. Verstehen Sie denn nicht? Sehen Sie ... es gab eine Hochzeit ... ein trauriges tanzendes Mädchen ... und dann auch noch einen Vogel in einem Käfig. Was schließen Sie daraus?« Als ich ihr keine Antwort gab, blickte Eva Maria aus dem Fenster. »Ich war zweiundzwanzig, müssen Sie wissen. Als ich ihn geheiratet habe. Salimbeni. Er war vierundsechzig. Finden Sie das alt?« Sie sah mir jetzt direkt in die Augen, als versuchte sie meine Gedanken zu lesen.
    »Nicht notwendigerweise«, antwortete ich. »Wie Sie wissen, war meine Mutter ...«
    »Tja, ich schon«, fiel Eva Maria mir ins Wort. »Ich fand ihn sehr alt und nahm fest an, dass er bald sterben würde. Aber er war reich. Ich habe ein schönes Haus. Sie müssen mich unbedingt besuchen kommen. Bald.«
    Ich war so verblüfft über ihr unverblümtes Geständnis - und die anschließende Einladung -, dass ich nur sagte: »Natürlich, gerne.«
    »Wunderbar!« Sie legte mir besitzergreifend die Hand auf die Schulter. »Aber jetzt müssen Sie den Helden des Freskos finden!«
    Ich musste fast lachen. Eva Maria Salimbeni war eine wahre Meisterin, wenn es darum ging, das Thema zu wechseln.
    »Los jetzt«, sagte sie wie eine Lehrerin zu einer Klasse fauler Kinder, »wo ist der Held? Es gibt immer einen Helden. Sehen Sie sich das Fresko genau an.«
    Ich tat brav, wie mir geheißen. »Es könnte jeder sein.«
    »Die Heldin ist in der Stadt«, erklärte sie, wobei sie erneut auf die junge Frau deutete, »und macht ein sehr trauriges Gesicht. Folglich muss der Held ... wo sein? Schauen Sie hin! Auf der linken Seite sehen wir das Leben innerhalb der Stadtmauern. Dann kommt die Porta Romana, das südliche Stadttor, wodurch das Fresko in zwei Hälften geschnitten wird. Und auf der rechten Seite ...«
    »Stimmt, jetzt sehe ich ihn«, antwortete ich, um ihr die Freude nicht zu verderben. »Es ist der Mann auf dem Pferd, der gerade die Stadt verlässt.«
    Eva Marias Lächeln galt nicht mir, sondern dem Fresko. »Er sieht gut aus, nicht wahr?«
    »Umwerfend. Was bedeutet der Elfenhut?«
    »Er ist Jäger. Sehen Sie ihn sich an. Er hat einen Greifvogel bei sich und will ihn gerade auffliegen lassen, doch etwas hält ihn zurück. Der andere Mann dort, der dunklere, der zu Fuß geht und die Malerkiste trägt, versucht ihm etwas zu sagen, und unser junger Held lehnt sich im Sattel nach hinten, um seine Worte besser zu verstehen.«
    »Vielleicht möchte der zu Fuß gehende Mann, dass er in der Stadt bleibt?«, mutmaßte ich.
    »Vielleicht. Aber welche Folgen könnte das für ihn haben? Sehen Sie, was Maestro Ambrogio über seinen Kopf gemalt hat. Den Galgen. Keine angenehme Alternative, oder?« Eva Maria lächelte. »Um wen handelt es sich Ihrer Meinung nach bei dem jungen Mann?«
    Ich ließ mir mit meiner Antwort Zeit. Wenn der Maestro Ambrogio, der dieses Fresko gemalt hatte, tatsächlich derselbe war, dessen Tagebuch ich gerade las, und wenn die so unglücklich tanzende Frau mit dem Diadem wirklich meine Vorfahrin Giulietta Tolomei war, dann konnte der Mann auf dem Pferd nur Romeo Marescotti sein. Trotzdem hatte ich kein gutes Gefühl dabei, Eva Maria über das Ausmaß meiner jüngsten Entdeckungen oder gar die Quelle meines Wissens aufzuklären. Deswegen meinte ich nur achselzuckend: »Keine Ahnung.«
    »Was, wenn ich Ihnen jetzt verraten würde«, fuhr Eva Maria fort, »dass er der Romeo aus Romeo und Julia ist? ... Und dass es sich bei Ihrer Ahnin Giulietta um Shakespeares Julia handelt?«
    Ich brachte ein Lachen zustande. »Spielt das Stück nicht in Verona? Und hat Shakespeare diese Figuren nicht erst erfunden? In Shakespeare in Love ...«
    »Shakespeare in Love!« Eva Maria sah mich an, als hätte sie selten etwas so Widerwärtiges

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