Julian und das Ende der Nacht
wollen nicht mir nichts, dir nichts aussterben und ziehen es vor uns zu töten, weil sie selbst überleben wollen. Wir, das neue Geschlecht müssen uns verstecken und um unsere Existenz kämpfen. Emelys Gedanken waren verwirrt. Die Frau, die diese Zeilen geschrieben hatte, war ihr fremd und doch war es die Handschrift ihrer Schwester. Unsere ungewöhnlichen Fähigkeiten und Kräfte reichen wir an unsere Kinder und Kindeskinder weiter. Wir lehren sie, wie man sie unter Kontrolle bringt und sinnvoll mit ihnen umgeht.
„Kräfte? Fähigkeiten?“, hauchte Emely fassungslos.
In zehntausend Jahren wird es eine völlig neue Art Menschen geben, die über Kräfte verfügt wie wir. Wenn sie auf unsere Zeit zurückblicken, werden sie sie vielleicht als Zeit der Wende betrachten, denn von hier nahm das neue Geschlecht seinen Anfang. Emely durchfuhr ein Schauer. Ich bin mit übersinnlichen Fähigkeiten ausgerüstet: Vorahnungen, todsicherem Instinkt, Hellsichtigkeit, Gedankenkontrolle. Ich bin ausgestattet mit mystischen und medialen Gaben. Wir wurden nicht ohne Schutz hier zurückgelassen. Emelys Kopf fühlte sich an, als würde er jeden Moment explodieren und doch las sie weiter.
Ein Jahrtausende alter Geheimbund beschützt die Wahrheit. Dennoch wurde die Wahrheit von wenigen der menschlichen Rasse gefunden. Sie versuchen mit allen Mitteln, uns, die Samani auszulöschen, damit die alte Rasse überlebt. Es sind verbrecherische Geheimdienste, die die Samani entführen und sie unwürdigen wissenschaftlichen Experimenten unterziehen.
„Oh, mein Gott.“ Emelys Herz schlug ängstlich. Diese Geheimdienste nennen unser Projekt Samani, „Die Himmlischen“. Vor zweitausend Jahren begann die genetische Veränderung, dennoch sind wir wenige. Wir wurden verraten, verfolgt, angespuckt, eingesperrt, gefoltert und getötet.
„Nein!“, schrie Emely auf und Tränen traten in ihre Augen. Mit verschwommenem Blick schlug sie die nächste Seite auf.
Wir wurden verleugnet und Beweise für die Existenz der Samani wurden vernichtet. Die, die an uns glauben, werden für verrückt gehalten, ausgelacht, bedroht und angegriffen. Warum waren die ältesten Bibliotheken der Welt Geheimbibliotheken? Wofür erfindet die Menschheit unzählige Lügen? Wofür will der Mensch diese Menschheit erhalten? Wovor hat der Mensch eigentlich Angst, ist es die Sorge, dass die viele Jahrtausende behütete und verborgene Wahrheit endlich ans Licht kommt? Emely wischte eine Träne fort. Ein Instinkt erwachte in ihrem Herzen.
Unsere Vorfahren hinterließen so viele Schriften, Nachrichten und Mitteilungen in Pyramiden, Tempeln und Statuen. Was wurde aus der Bibliothek des Tempels in Jerusalem? Was wurde aus der Bibliothek von Pergamon die zweihunderttausend Werke geführt hat? Viele tausend unwiederbringliche Schriften ließen Mönche im blinden, heiligen Eifer in Süd- und Zentralamerika verbrennen. Ist die Menschheit jemals daraus schlau geworden? Heinrich Schliemann nahm die Bücher Homers nicht nur als Märchen und Fabeln und so entdeckte er Troja. Seit Tausenden von Jahren leben wir unter euch. Wir sind die Saat, die neues Leben bringen soll. Schon Leonardo da Vinci sagte: “Elende Sterbliche, öffnet die Augen.“ Kurz blickte Emely auf und dachte über die Zeilen nach, die ihre Schwester geschrieben hatte. Langsam begriff sie, dass alles, was dort geschrieben stand, auch sie betraf. Wie ihre Schwester Marie hatte Emely blondes Haar und blaue Augen. Emely senkte ihren Blick, so fremd ihr diese Zeilen auch schienen, ahnte Emely, dass sie die Wahrheit offenbarten, und sie ihre Schwester und sich selbst in einem anderen Licht sehen musste. Aufgewühlt lass Emely weiter. Manchmal scheint es, als ob der Mensch Angst davor hätte, den Nebel vor seiner Vergangenheit schwinden zu sehen. Warum? Weil es sich mit der Schulweisheit so gut und ruhig leben lässt. Unsere Bestimmung auf dieser Erde ist es, unser wertvolles Erbgut weiterzugeben. Wir sind die Kinder der Götter. Unser Werk ist die Umwandlung der Welt in das neue Paradies, das neue Atlantis, das alle herbeisehnen.
„Atlantis“, flüsterte Emely und erinnerte sich an Geschichten, die Marie ihr von Atlantis erzählt hatte. Und wie oft ihr ihre zehn Jahre ältere Schwester erklärt hatte, dass sie beide etwas ganz besonderes seien. Emely war anders als die anderen, das spürte sie immer und doch schwieg sie über ihre Fähigkeiten. Nicht einmal Marie hatte sie sich anvertraut, aus Angst, sie würde sie
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