Julie oder Die neue Heloise
diese acht Tage des Schmachtens entzündet haben, Sie würden selber die Uebel beseufzen, welche Sie mir zufügen. Es giebt kein Heilmittel mehr, und ich fühle verzweifelnd, daß das Feuer, das mich verzehrt, erst im Grabe verlöschen wird.
Wohl! Kann man nicht glücklich werden, so kann man wenigstens verdienen, es zu sein, und ich werde Sie einen Mann zu achten zwingen, den Sie nicht der kleinsten Antwort gewürdigt haben. Ich bin jung und kann eines Tages die Ehrerbietung verdienen, deren ich jetzt nicht würdig bin. Für jetzt gilt es, Ihnen die Ruhe zurückzugeben, die ich auf ewig verloren habe, und die ich Ihnen hier wider meinen Willen raube. Es ist billig, daß ich allein die Strafe des Verbrechens trage, dessen ich allein schuldig bin, Leben Sie wohl, allzu schöne Julie, leben Sie ruhig und werden Sie wieder heiter und froh; von morgen an werden Sie mich nicht wieder sehen. Aber sein Sie überzeugt, daß die heiße, reine Liebe, von welcher ich für Sie entbrannt bin, in meinem Leben nicht verlöschen wird, daß mein Herz, erfüllt von einem so würdigen Gegenstande, sich hinfort nie wird erniedrigen können, daß es immerdar nächst Ihnen nur der Tugend huldigen wird und daß keine andere Flamme jemals den Altar entweihen wird, auf welchem Julie verehrt wurde.
Billet von Julie.
Nehmen Sie nicht die Meinung mit hinweg, Ihre Entfernung nothwendig gemacht zu haben. Ein tugendhaftes Herz würde sich zu bezwingen oder zu schweigen wissen und wäre vielleicht zu fürchten. Aber Sie .... Sie können immerhin bleiben.
Antwort.
Ich habe lange geschwiegen, Ihre Kälte hat mich endlich zum Reden gebracht. Wenn man sich auch bezwingen kann um der Tugend willen, so erträgt man doch nicht die Verachtung deren, die man liebt. Ich muß fort.
Zweites Billet von Julie.
Nein, mein Herr, nach dem, was Sie zu fühlen schienen, nach dem, was Sie mir zu sagen gewagt haben, geht ein Mann, wie Sie zu sein vorgeben, nicht fort; er thut mehr.
Antwort.
Ich habe nichts vorgegeben als eine mäßige Leidenschaft in einem Herzen, welches voll Verzweiflung ist. Morgen werden Sie zufriedengestellt sein, und was Sie auch sagen mögen, es wird weniger sein als Fortgehen.
Drittes Billet von Julie.
Unsinniger! wenn dir mein Leben theuer ist, so lege nicht Hand an deines. Ich bin belagert und kann Sie bis morgen weder sprechen noch Ihnen schreiben, Warten Sie.
Vierter Brief.
Von Julie.
Ich muß es also endlich gestehen das unselige Geheimniß, das ich zu schlecht verhehlt habe. Wie viel Male habe ich geschworen, daß es nicht aus meinem Herzen kommen sollte als mit meinem Leben! Die Gefahr, die dem deinigen droht, entreißt es mir; es entschlüpft mir und die Ehre ist dahin. Ach! ich habe mir nur zu sehr Wort gehalten. Giebt es einen grausameren Tod, als seine Ehre überleben?
Was sage ich? Wie breche ich ein so peinliches Schweigen? Oder vielmehr habe ich denn nicht schon Alles gesagt und hast du mich nicht zu gut verstanden? Ach, du hast zu viel gesehen, um nicht das Uebrige zu errathen: in die Fallstricke eines schändlichen Verführers Schritt für Schritt gelockt, sehe ich nun den schrecklichen Abgrund, in den ich unaufhaltsam renne. Verschlagener Mann! es ist wohl meine Liebe mehr als die deinige, die dich so kühn macht. Du siehst die Verirrung meines Herzens und machst sie dir zu nutze, um mich ins Verderben zu stürzen; und wenn du mich verächtlich machst, so ist das schlimmste meiner Leiden, daß ich gezwungen bin, dich zu verachten. Ha, Unseliger! ich achtete dich und du entehrst mich! Doch gewiß, wenn du ein Herz hättest, das diesen Sieg in Frieden genießen könnte, dann würde es ihn nie erlangt haben.
Du weißt es und es wird deine Gewissensbisse vermehren: ich hatte in meiner Seele keine bösen Neigungen, Sittsamkeit und Ehrbarkeit waren mir theuer; das einfache, arbeitsame Leben, in welchem ich sie nährte, hatte ich lieb. Was haben mir Dienste gefrommt, die von Gott verworfen sind? Seit dem ersten Tage, an welchem ich das Unglück hatte dich zu sehen, fühlte ich das Gift, das mir Sinne und Vernunft zerrüttet; ich fühlte es vom ersten Augenblick an, und deine Augen, deine Sinnesart, deine Worte, deine sündhafte Feder machen es jeden Tag tödtlicher.
Ich habe nichts unterlassen, um den Fortschritt dieser unseligen Leidenschaft zu hemmen. Da ich mich ohnmächtig zum Widerstand fiihlte, habe ich mich vor den Angriffen sichern wollen; deine Verfolgungen haben meine eitele Vorsicht getäuscht. Hundert Mal
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