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Julie oder Die neue Heloise

Titel: Julie oder Die neue Heloise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Jacques Rousseau
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unglücklich sei, wenn es sein muß. Weil ich vermessen gewesen, deshalb will ich doch kein Lügner und Schurke sein, und das Verbrechen, das mein Herz begangen hat, meine Feder kann es nicht verhehlen.
    Ich fühle im Voraus das Gewicht Ihres Unwillens und ich erwarte die letzten Wirkungen desselben wie eine Gunst, die Sie mir in Ermangelung jeder andern schuldig sind, denn die Glut, die mich verzehrt, verdient Strafe, aber nicht Verachtung. Erbarmen Sie sich und überlassen mich nicht mir allein; thun Sie wenigstens dies, verhängen Sie mein Schicksal; sagen Sie, was Ihr Wille ist. Was Sie mir auch vorschreiben mögen, ich werde nur zu gehorchen wissen. Legen Sie mir ein ewiges Stillschweigen auf, und ich werde mich zu zwingen wissen, daß ich es beobachte. Verbannen Sie mich aus Ihrer Gegenwart, ich schwöre, daß Sie mich nicht wiedersehen sollen. Heißen Sie mich sterben, ach, es wird nicht das Schwerste sein. Kein Befehl von Ihnen ist, in den ich nicht willige, außerdem einen, Sie nicht zu lieben: auch darin würde ich gehorchen, wenn es mir möglich wäre.
    Hundert Mal des Tages bin ich versucht, mich zu Ihren Füßen zu werfen, sie mit meinen Thränen zu benetzen, an dieser Stelle den Tod oder meine Verzeihung zu empfangen; stets macht ein Todesschauer meinen Muth gefrieren; meine Kniee zittern und wagen nicht sich zu beugen: das Wort erstirbt auf meinen Lippen und meine Seele findet nichts, was sie vor der Furcht, Sie zu erzürnen, sicher stellte.
    Giebt es auf der Welt einen schrecklicheren Zustand als den meinigen? Mein Herz fühlt so sehr, wie strafbar es ist, und kann doch, kann nicht aufhören es zu sein; Schuld und Gewissensangst durchwühlen es um die Wette; und in der Unwissenheit über mein Loos schwebe ich in unerträglicher Ungewißheit zwischen der Hoffnung auf Milde und der Furcht vor Strafe.
    Aber nein! Ich hoffe nichts, ich habe zu hoffen kein Recht. Die einzige Gnade, die ich von Ihnen erwarte, ist, daß Sie mein Todesurtheil beschleunigen. Befriedigen Sie eine gerechte Rache. Ob das nicht Unglück genug ist, sie selber erflehen zu müssen? Bestrafen Sie mich, Sie dürfen nicht anders; aber wenn Sie nicht erbarmungslos sind, so legen Sie diese kalte, unzufriedene Miene ab, die mich zur Verzweiflung bringt: wenn man einen Verbrecher in den Tod schickt, so zeigt man ihm keinen Zorn mehr.
     
Dritter Brief.
An Julie.
    Werden Sie nicht ungeduldig, Mademoiselle; es ist das letzte Mal, daß Sie von mir belästigt werden sollen.
    Als ich anfing Sie zu lieben, o wie weit war ich davon entfernt, alle die Qualen vorauszusehen, die ich mir zubereitete. Ich fühlte zuerst nur die Qual einer hoffnungslosen Liebe, die die Vernunft wohl mit der Zeit besiegen kann; ich lernte sodann eine größere kennen in der Pein, Ihr Mißfallen auf mich zu ziehen; und jetzt erfahre ich die grausamste von allen, in dem Gefühle, daß Sie selber leiden. O Julie! Ich sehe es mit Schmerz, meine Klagen trüben Ihre Ruhe; Sie beobachten ein unüberwindliches Schweigen, aber Alles enthüllt meinem lauernden Herzen Ihre geheime Aufregung. Ihre Augen verdunkeln sich, sind unstät, haften an der Erde; dann und wann fällt ein verwirrter Blick auf mich; Ihre frische Farbe schwindet, eine ungewohnte Blässe bedeckt Ihre Wangen; Ihre Heiterkeit ist von Ihnen gewichen; eine tödtliche Traurigkeit hat Sie befallen, und nur Ihre unwandelbare Seelengüte bewahrt Sie, daß Sie nicht ein wenig Laune verrathen.
    Sei es Gefühl, sei es Verachtung, sei es Bedauern für meine Leiden, Sie sind davon ergriffen, ich sehe es; ich fürchte, zu den Ihrigen beizutragen, und diese Furcht betrübt mich weit mehr, als die Hoffnung, die daraus entspringen könnte, mir zu schmeicheln vermag; denn ich täusche mich entweder selbst, oder Ihr Glück ist mir theurer als das meinige.
    Jedoch, indem ich dann wieder auf mich zurückgehe, fange ich an zu erkennen, wie falsch ich mein eigenes Herz beurtheilt hatte, und zu spät gewahre ich, daß das, was ich für einen vorübergehenden Rausch gehalten, das Schicksal meines Lebens entscheiden wird. Die Zunahme Ihrer Traurigkeit hat mir das Wachsthum meines Uebels fühlbar gemacht. Nie, niemals hätte das Feuer Ihrer Augen, der Schimmer Ihrer Farbe, nie hätten die Annehmlichkeiten Ihres Geistes und alle Grazien Ihrer alten Fröhlichkeit eine solche Wirkung auf mich geübt, wie jetzt Ihre Niedergeschlagenheit. Zweifeln Sie nicht daran, göttliche Julie, wenn Sie sehen könnten, welch einen Brand in meiner Seele

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