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Julie oder Die neue Heloise

Titel: Julie oder Die neue Heloise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Jacques Rousseau
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verbergen; vergeblich schob sie die Zunahme ihrer Krankheit auf dieselbe Ursache, aus welcher dieselbe entstanden war; vergeblich sagte, von ihr gewonnen, meine Cousine ebenso: durch nichts hat sich mein reuzerrissenes Herz täuschen lassen und zu ewiger Marter werde ich bis ans Grab den schrecklichen Gedanken mit mir schleppen, Der das Leben verkürzt zu haben, der ich es verdanke.
    Sie, den der Himmel in seinem Zorne erweckte, um mich unglücklich und strafbar zu machen, nehmen Sie zum letzten Male in Ihren Busen Thränen auf, deren Urheber Sie sind. Ich komme nicht mehr, wie ehemals, Kummer mit Ihnen zu theilen, der uns gemeinsam sein soll. Es sind die Seufzer eines letzten Lebewohls, die mir wider Willen entfahren. Es ist aus; die Herrschaft der Liebe ist zu Ende in dieser Seele, die der Verzweiflung ganz verfallen ist. Ich weihe den Rest meines Lebens der Klage um die beste der Mütter; ich werdeihr Gefühle zum Opfer zu bringen wissen, die ihr das Leben gekostet haben; zu glücklich wäre ich, wenn deren Ueberwindung mich ebenso viel kostete, damit ich büßte, was sie dadurch gelitten hat. Ach! wenn ihr unsterblicher Geist in die Tiefe meines Herzens schaut, so weiß er, daß das Sühnopfer, welches ich ihm darbringe, ihrer nicht ganz und gar unwerth ist. Nehmen Sie denn Theil an der Anstrengung, die Sie mir nothwendig gemacht haben. Wenn Sie noch einen Funken Achtung für ein so liebes und so verderbliches Band haben, so beschwöre ich Sie bei ihm, mich auf ewig zu fliehen, mir nicht wieder zu schreiben, meine Gewissensbisse nicht mehr zu schärfen, und mich vergessen zu lassen, wenn es möglich ist, was wir einander waren. Mögen meine Augen Sie nicht wieder sehen: möge ich Ihren Namen nicht wieder nennen hören; möge Ihr Andenken nicht mehr mein Herz aufwühlen. Noch wage ich Namens einer Liebe zu bitten, die nicht mehr sein soll; o, fügen Sie so vielen Ursachen zum Schmerze nicht auch noch die hinzu, daß ich ihren letzten Wunsch verachtet sehen müßte. Leben Sie denn wohl zum letzten Male, einziger, lieber ... Ach, ich Unsinnige! .... Leben Sie wohl auf ewig.
     
Sechster Brief.
Juliens Liebster an Frau von Orbe.
    Endlich ist der Schleier zerrissen; diese lange Täuschung ist verschwunden, diese süße, süße Hoffnung ist verwelkt: nichts bleibt mir mehr, um eine Flamme zu speisen, die ewig brennen muß, als das bittere süße Angedenken, das mein Leben noch erhält und meine Qualen mit der leeren Einbildung eines Glückes nährt, das dahin ist.
    Ist es denn wahr, daß ich das höchste Glück genossen habe? Bin ich denn wirklich dasselbe Wesen, das einst glücklich war? Ist ein Mensch, der fühlen kann, was ich leide, nicht dazu gemacht, ewig zu leiden? Kann ein Mensch, der zu genießen vermag, was ich verloren habe, es verlieren und noch leben? Und solche streitende Gefühle, wie können sie nur in Einem Herzen keimen? Tage der Lust und der Herrlichkeit, nein, ihr waret für keinen Sterblichen, ihr waret zu schön, um dem Untergange verfallen zu sein. Euer ganzer Verlauf war ein einziges süßes Entzücken, ein einziger, unendlicher Punkt wie der der Ewigkeit, Es gab für mich weder Vergangenheit noch Zukunft und ich genoß zugleich die Wonnen von tausend Jahrhunderten. Ach! und ihr seid verschwunden wie ein Blitz. Diese Ewigkeit von Glück war nur ein Augenblick meines Lebens. Die Zeit hat in dem Stundenschlag meiner Verzweiflung ihren schleichenden Gang wiedergewonnen und der Ueberdruß mißt nach langen Jahren den unglücklichen Rest meiner Tage.
    Um sie mir vollends unerträglich zu machen, scheint sich Alles, was mir theuer war, je mehr mich die Trübsal beugt, desto mehr von mir loszusagen. Madame, es ist möglich, daß Sie mich noch lieb haben, aber andere Sorgen rufen Sie, andere Pflichten nehmen Sie in Anspruch. Meine Klagen, die Sie einst theilnehmend anhörten, sind jetzt zudringlich: Julie, Julie selbst ist muthlos worden und verläßt mich. Die unglücklichen Gewissensbisse haben die Liebe ausgetrieben. Alles ist für mich verwandelt; nur mein Herz ist stets das nämliche und mein Schicksal ist nur desto grauenvoller.
    Aber was liegt daran, wie mir zu Muthe ist und wie es mit mir werden soll? Julie leidet; ist da Zeit, an mich zu denken? Ach, ihre Schmerzen sind es, die die meinigen noch bitterer machen. Ja, ich wollte lieber, daß sie aufhörte mich zu lieben und glücklich würde .... Aufhören mich zu lieben! .... kann sie es hoffen? .... Nimmer, nimmer! Was ist's, daß sie mir

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