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Julie oder Die neue Heloise

Titel: Julie oder Die neue Heloise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Jacques Rousseau
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machte sich Mademoiselle Henriette bereit, auch ihrerseits einen zu schreiben. Da ich will, daß die Kinder immer sagen, was sie denken, und nicht, was man ihnen in den Mund legt, so habe ich die Jungfer Neugier schreiben lassen, was sie wollte, und kein Wort geändert. Also dritte Einlage. Ich kann mir wohl denken, daß es nicht die ist, nach welcher du beim Durchstöbern des Päckchens sogleich schieltest. Dies anlangend gieb dir keine Mühe, weiter danach zu suchen, denn du wirst sie nicht finden. Sie ist nach Clarens adressirt, muß also in Clarens gelesen werden. Danach richte dich denn.
     
Vierzehnter Brief.
Henriette an ihre Mutter.
    Wo sind Sie denn, Mama? Die Leute sagen, Sie sind in Genf, und das ist so weit, so weit, daß man zwei Tage den ganzen Tag reisen muß, um hinzukommen. Sie wollen wohl auch die Reise um die Weltmachen? Papachen ist heute früh nach Étange; Großpapachen ist auf der Jagd; Mamachen hat sich eingeschlossen, um zu schreiben; ist keiner da, als meine Mie Pernette und meine Mie Fanchon. Liebster Gott, ich weiß gar nicht, wie das jetzt geht; aber seit unser guter Freund fort ist, läuft Alles auseinander. Mama, Sie haben zuerst angefangen. Es war schon recht langweilig, als Sie keinen mehr wüthend zu machen hatten. O, und nun ist es noch ärger, seit Sie fort sind, denn Mamachen ist auch nicht mehr so guter Laune, als wie Sie da waren. Mama, mein kleines Männel ist gesund, er hat Sie aber nicht mehr lieb, weil Sie ihn gestern nicht haben tanzen lassen, wie immer. Ich würde Sie, glaube ich, noch ein Bißchen lieb haben, wenn Sie recht bald wiederkämen, daß es nicht mehr so langweilig hier wäre. Wenn Sie mich recht gut machen wollen, so bringen Sie meinem kleinen Männel etwas Hübsches mit. Um ihn gut zu machen, den Kleinen, werden Sie wohl so gescheit sein, auch zu merken, was Sie thun müssen. Ach, liebster Gott, wenn unser guter Freund da wäre, wie der's schon gerathen hätte! Mein schöner Fächer ist ganz entzwei: mein blaues Kleid ist nur noch eine Lappe: mein Blondenkragen ist auch in Fetzen; meine durchbrochenen Handschuhe taugen gar nichts mehr. Bon jour, Mama, ich muß meinen Brief schließen, denn Mamachen ist mit ihrem fertig und kommt aus ihrem Cabinet. Ich glaube, sie hat rothe Augen, aber ich traue mir nicht, es ihr zu sagen; aber wenn sie dies liest, wird sie wohl sehen, daß ich es gesehen habe. Meine gute Mama, Sie sind recht schlecht, wenn Sie mein Mamachen zu weinen machen.
    N. S. Ich umarme Großpapa, ich umarme meine Onkels, ich umarme meine neue Tante und ihre Mama, ich umarme alle Leute, blos Sie nicht. Mama, Sie verstehen doch, ich habe für Sie keine solche lange Arme.
     

Sechste Abtheilung.
     
Daniel-Nicolas Chodowiecki (1726-1801): Julies Abschied von Wolmar (VI, 11).
Erster Brief.
Frau v. Orbe an Frau v. Wolmar.
    Ehe ich von Lausanne abgehe, muß ich dir doch ein Wörtchen schreiben, um dir anzuzeigen, daß ich angekommen, nicht jedoch so vergnügt, als ich gehofft hatte. Ich hatte mir aus dieser kleinen Reise, die ja auch dir so lockend gewesen, ein rechtes Fest gemacht; aber da du es mir abschlugst, sie mitzumachen, ist sie mir fast unleidlich geworden; denn was kann ich mir nun davon versprechen? Wenn sie langweilig ist, so werde ich die Langeweile allein haben, und wenn sie hübsch ist, so werde ich den Verdruß haben, mich ohne dich zu amüsiren. Wenn ich auch gegen deine Gründe nichts einwenden kann, glaubst du deswegen, daß ich mich dabei beruhige? Meiner Treu, Cousine, du irrst dich bedeutend, und das ärgert mich wieder, daß ich nicht einmal ein Recht habe, mich zu ärgern. Sage, schlechte Person, schämst du dich nicht, immer Recht zu haben gegen deine Freundin, und dich Allem zu widersetzen, was ihr Vergnügen macht, ohne ihr auch nur das kleine zu lassen, darüber zu zanken? Thatest du nicht, als ob Alles drunter und drüber gehen müsse, wenn du einmal auf acht Tage deinen Mann, deine Wirthschaft und deine Aeffchen laufen ließest? Es wäre ein leichtsinniger Streich gewesen, aber du wärest dafür zehn Mal besser und lieber, statt daß du dich damit abgiebst vollkommen zu sein, und noch dahin kommst, daß du zu nichts mehr zu gebrauchen bist, und dir deine Freunde nur unter den Engeln suchen magst.
    Ungeachtet der ehemaligen Mißhelligkeiten habe ich meine Familie nicht ohne Rührung wiedersehen können: ich bin mit Freude, oder wenigstens mit vielen Liebkosungen aufgenommen worden. Um dirüber meinen Bruder etwas zu sagen, will

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