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Julie oder Die neue Heloise

Titel: Julie oder Die neue Heloise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Jacques Rousseau
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nicht ohne Unruhe gelassen hatte; dieser Traum machte mir die Freude zu einem verdächtigen Merkmal, die er äußerte, als ich ihm zu wissen that, daß es nur von ihm abhinge, Ihre Kinder zu erziehen und sein Leben bei Ihnen zuzubringen. Um ihn in der Aufwallung des Gefühls desto sicherer zu beobachten, war ich den Schwierigkeiten, die er etwa machen konnte, zuvorgekommen: indem ich ihm sogleich erklärte, daß ich mich selbst bei Ihnen niederlassen würde, benahm ich ihm jeden Einwand, den ihm seine Freundschaft einflüstern konnte. Mein späterer Gedanke nöthigte mich aber, eine andere Sprache anzunehmen.
    Er hatte die Marquise nicht drei Mal gesehen, so waren wir hinsichts ihrer einverstanden. Zum Unglück für sie, wollte sie ihn für sich gewinnen, und gewann nichts, als daß sie ihm ihr verschlagenes Wesen aufdeckte. Die Unglückliche! Wie viele große Eigenschaften ohne Tugend! Wie viele Liebe ohne Ehre! Diese Liebe, heiß und wahr, rührte mich, fesselte mich, nährte die meinige! aber auch die Liebe hatte bei ihr die Farbe ihrer schwarzen Seele angenommen, und konnte mir zuletzt nur Grauen machen. Es war nicht mehr die Rede von ihr.
    Als er Laura gesehen hatte, und ihr Herz, ihre Schönheit, ihren Geist, ihre beispiellose Anhänglichkeit erkannte, die nur zu sehr dazu geschaffen war, mich glücklich zu machen, nahm ich mir vor, mich ihrer zu bedienen, um Saint-Preux's Gemüthsverfassung vollständig zu ergründen. Wenn ich Laura heirate, sagte ich zu ihm, so ist es nicht meine Absicht, sie nach London zu führen, wo Jemand sie wieder erkennen könnte, sondern an einen Ort, wo man die Tugend, in welcher Hülle sie sich immer finde, zu schätzen weiß, Sie werden Ihr Amt übernehmen, und wir werden nicht aufhören mit einander zu leben. Wenn ich sie nicht heirate, so ist es Zeit, stille Sammlung zu suchen. Sie kennen mein Haus in Oxfordshire, und Sie werden die Wahl haben, entweder die Kinder des einen ihrer Freunde zu erziehen, oder den andern in seine Einsamkeit zu begleiten. Er gab mir die Antwort, die ich erwarten durfte; aber ich wollte sehen, wie er sich weiter benehmen würde. Denn mochte er, um in Clarens leben zu können, eine Heirat begünstigen, die er tadelnswerth finden mußte, oder mochte er in dieser delicaten Angelegenheit seinem Glücke den Ruhm seines Freundes vorziehen, in beiden Fällen war die Probe gemacht, und über sein Herz gerichtet.
    Ich fand ihn anfangs so, wie ich ihn wünschte, entschieden gegen das Project, das ich ihm vorspiegelte, und mit allen Gründen gewaffnet, die sich gegen meine Verheiratung mit Laura aufbringen ließen. Ich fühlte das Gewicht dieser Gründe besser als er; aber ich sah Laura unaufhörlich, ich sah sie in ihrem Schmerz, ich sah sie in ihrer Zärtlichkeit. Mein Herz, von der Marquise gänzlich losgerissen, gewann durch diesen beständigen Umgang einen neuen Anhalt. In Laura'sGefühlen fand ich Stoff zur Verdopplung der Liebe, die sie mir eingeflößt hatte. Ich schämte mich, der Meinung, die ich verachtete, die Achtung aufzuopfern, die ich dem Verdienste dieses Mädchens schuldig war, und hatte ich mir denn nicht auch eine Pflicht aufgeladen durch die Hoffnungen, die ich ihr erregt hatte, wenn nicht mit Worten, doch durch meine Bemühungen um sie? Wiewohl ich nichts versprochen hatte, hieß nichts halten sie betrügen, und dieser Betrug wäre eine Barbarei gewesen. Endlich, indem ich so meiner Neigung eine Art Schuldigkeit zur Bundesgenossin gab, und mehr an mein Glück als an meinen Ruhm dachte, kam ich dahin, daß ich sie mit allem Bedacht liebte. Ich war Willens, die Verstellung so weit zu treiben, als möglich, und bis zur Wirklichkeit selbst, wenn ich mich dann nicht mehr ohne Ungerechtigkeit herauszuziehen vermöchte.
    Inzwischen fühlte ich meine Bedenklichkeit in Betreff des jungen Mannes vermehrt, da ich ihn die Rolle, die er übernommen hatte, nicht mit ganzer Kraft durchführen sah. Er widersetzte sich meinen Absichten, er mißbilligte den Bund, den ich schließen wollte, aber er bekämpfte meine wachsende Neigung schwach, und sprach nur von Laura mit so vielem Lobe, daß er, während er mich von der Heirat ablenken zu wollen schien, in der That meine Neigung zu ihr nur dadurch steigern konnte. Dieser Widerspruch beunruhigte mich. Ich fand ihn nicht so fest, als er hätte sein sollen; er schien es nicht zu wagen, meinem Gefühle die Stirn zu bieten, er wich vor meinem Widerstande zurück, er verrieth Furcht, mir wehe zu thun, er hatte, meiner

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