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Julie oder Die neue Heloise

Titel: Julie oder Die neue Heloise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Jacques Rousseau
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ihren unvorsichtigen Edelmuth eine Nebenbuhlerin, und was für eine Nebenbuhlerin zugezogen zu haben glaubte. Vorwürfe, Hohn, Schmähung, Drohungen, zärtliche Liebkosungen, Alles wurde abwechselnd aufgewendet, um Eduard von diesem unwürdigen Umgange loszumachen, bei welchem sie sich sein Herz durchaus nicht unbetheiligt denken konnte; er blieb fest; er hatte es versprochen. Laura hatte ihr Glück und ihre Hoffnung darauf beschränkt, ihn manchmal zu sehen. Ihre keimende Tugend bedurfte der Pflege: sie hing an Dem, der sie in ihr erweckt hatte; es lag ihm ob, sein Werk fortzusetzen. Dies sagte er der Marquise, sagte er sich, und vielleicht sagte er doch auch sich nicht Alles. Welcher Mann könnte strenge genug sein, um den Blicken eines reizenden Gegenstandes zu entfliehen, der nichts weiter von ihm verlangt, als sich lieben zu lassen? Wo wäre Der, dem die Thränen zweier schönen Augen nicht ein wenig das redliche Herz schwellten? Wo der mildthätige Mann, dessen nützliche Eigenliebe nicht gern der Frucht seiner Bemühungen genösse? Er hatte Laura zu schätzenswerth gemacht, um sie blos werthzuschätzen.
    Es machte die Marquise rasend, daß sie ihn nicht dahin bringen konnte, seine Besuche bei der Unglücklichen einzustellen. Sie hatte nicht den Muth, mit ihm zu brechen, faßte aber eine Art Abscheu vor ihm. Sie bebte, wenn sie seine Kutsche in den Hof fahren sah; das Herz klopfte ihr vor Angst, wenn sie ihn die Treppe heraufkommen hörte. Sie fühlte sich halb ohnmächtig, wenn sie ihn erblickte. Das Herz war ihr zusammengeschnürt, so lange er bei ihr war; wenn er ging, überschüttete sie ihn mit Verwünschungen; sobald sie ihn nicht mehr sah, weinte sie vor Wuth; sie sprach von nichts als Rache; ihr blutdürstiger Grimm gab ihr nur Pläne ein, die ihrer würdig waren. Sie ließ Eduard mehrmals anfallen, wenn er von Laura aus dem Kloster kam, sie stellte ihr selbst Fallen, um sie dort aufheben und entführen zu lassen. Und Alles das vermochte ihn nicht zu heilen. Er ging den anderen Morgen wieder zu Der, die ihn Tages zuvor hatte ermorden lassen wollen, und immer in dem chimärischen Gedanken, sie wieder zur Vernunft zu bringen, setzte er die seinige aufs Spiel, und nährte seine Schwäche mit dem Feuer seiner Tugend.
    Nach einigen Monaten starb der Marquis in Deutschland, schlecht geheilt von seiner Wunde, vielleicht auch aus Schmerz über dieschlechte Aufführung seiner Frau. Dieses Ereigniß, welches Eduard der Marquise hätte nähern sollen, diente nur dazu, ihn noch mehr von ihr zu entfernen. Er fand sie so beeifert, sich ihre neu erworbene Freiheit zu Nutze zu machen, daß er schauderte, Vortheil davon zu ziehen. Schon der Zweifel, ob nicht die Wunde des Marquis zu seinem Tode beigetragen hätte, erschreckte sein Herz und brachte seine Wünsche zum Schweigen. Er sagte sich: die Rechte eines Gatten sterben mit ihm für jeden Anderen, aber für seinen Mörder überleben sie ihn und werden unverletzlich. Wenn auch Menschlichkeit, Tugend und Gesetze über diesen Punkt nichts vorschreiben, sagt uns nicht schon die Vernunft allein, daß die Freuden, welche an die Erzeugung des Menschen geknüpft sind, nicht der Preis seines Blutes sein dürfen? Sonst würden die Mittel, welche bestimmt sind, uns das Leben zu geben, Todesquellen werden, und das Menschengeschlecht würde durch Das, was zu seiner Erhaltung geordnet ist, aussterben.
    So brachte er mehrere Jahre zwischen zwei Maitressen getheilt hin, unaufhörlich von einer zur anderen überspringend, öfters entschlossen, beiden zu entsagen, und doch nicht stark genug, eine von ihnen zu verlassen, durch tausend Gründe hinweggetrieben, durch tausend Gefühle wieder zurückgeführt, und jeden Tag enger verstrickt in seine Bande durch die eiteln Anstrengungen, sie zu zerreißen, bald seinem Hange, bald der Pflicht nachgebend, von London nach Rom und von Rom nach London reisend, ohne irgendwo Rast zu finden, immer entflammt, lebhaft, leidenschaftlich, niemals schwach oder strafbar, stark durch seine große, schöne Seele, währender es nur durch seine Vernunft zu sein glaubte, kurz alle Tage Thorheit sinnend, und alle Tage wieder in sich gehend, bereit, seine unwürdigen Ketten zu zerbrechen. In den ersten Augenblicken seines inneren Widerwillens war es, daß er nahe daran war, sich an Julie zu ketten, und es scheint gewiß, daß er es gethan haben würde, wenn er nicht den Platz besetzt gefunden hätte.
    Indessen verlor die Marquise immer mehr Terrain durch ihre

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