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Julie u Julia - 365 Tage, 524 Rezepte Und 1 Winzige Küche

Titel: Julie u Julia - 365 Tage, 524 Rezepte Und 1 Winzige Küche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Powell
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Büro war, sagte Bonnie, der Chef wolle mich sprechen. Sie wirkte nervös. »Sei freundlich - ich glaub, er ist ziemlich aufgebracht.«
    Ich ging also hinüber in sein Büro, und er zeigte auf den Stuhl vor seinem riesigen Schreibtisch. »Julie«, sagte er mit sehr ernster Miene, die Hände verschränkt auf dem Tisch, »Sie sind offenbar ziemlich wütend.«
    Anscheinend hatte endlich jemand Mr. Kline auf den ketzerischen Inhalt meines Blogs aufmerksam gemacht. Ich fragte mich, ob ihn die Stelle verärgert hatte, wo ich schrieb, Vizepräsidenten solle man zum Fenster hinauswerfen. »Sind Sie hier unglücklich?«, fragte er.
    »Nein! Nein, Sir. Ich bin nur - na ja, ich bin eben eine Sekretärin, Mr. Kline. Manchmal ist das frustrierend.«
    »Sie sind eine gute Mitarbeiterin, Julie. Sie müssen nur einen Weg finden, diese negative Energie zu kanalisieren.«
    »Mh-mh.«
    Diese negative Energie zu kanalisieren?! Seit wann reden Republikaner so daher? Ich dachte, das sei das einzig Erfreuliche an ihnen.
    Also war ich freundlich, nickte, versuchte mich herauszureden und senkte den Kopf wie ein bestraftes Kind. Und doch erblühte etwas in meiner Brust, was sich wie Freiheit, wie Glück anfühlte. Und unausgesprochen wiederholte sich in meinem Hirn ständig aufs Neue die eine köstliche, rebellische, befreiende Antwort: Na und? Wollen Sie mich etwa rausschmeißen?
    Sch***, vielleicht hatte ich es doch geschafft.
     
     
     
     
    Wenn Sie das etwa zur Hälfte bewerkstelligt haben,
werden Ihnen die Karkasse, die schlenkernden Beine und
Flügel und die herabhängende Haut als ein verwirrendes
Durcheinander erscheinen, und Sie werden sich fragen,
wie dies jemals zu einem guten Ende führen soll.
Aber schneiden Sie einfach weiter gegen den Knochen,
ohne die Haut zu verletzen.
     
     
     
     
    »Wie man eine Ente, einen Truthahn oder ein Hähnchen entbeint«,
Mastering the Art of French Cooking, Bd. 1

365. TAG, REZEPT 524

    Ganz einfach
    W as für ein Darwin’scher Taschenspielertrick ist denn das nun wieder? Die vergnügten, glücklichen Menschen amüsieren sich zu viel und nehmen sich keine Zeit mehr zum Zeugen, ist es das? Oder ist die Selbstbezichtigungsvariante dieser Gattung unwiderruflich an erhöhte Zuchtimmunität gekoppelt?
    Bitte gestatten Sie mir einen kurzen Rückblick.
    Zeitpunkt: Zweiter Dienstag im Juli 2003, Morgengrauen. In einer Stunde werde ich in meinem Büro erwartet, zu einer endlosen Zahl von Vormittagssitzungen, bei denen ich folgende lebenswichtige Pflichten übernehme: DAIS-Installation, Fotokopieren in letzter Minute, hysterisches Hin- und Herstöckeln in den Fluren und nützlich wirkendes Herumstehen. Das alles ist schlimm genug. Doch viel schlimmer ist noch, dass ich die letzten drei Stunden hellwach im Bett gelegen und mich selber zur Minna gemacht habe, weil ich das Apfelgelee nicht hingekriegt habe.
    Jetzt liegt noch gut ein Monat vor mir, 58 Rezepte, und statt wie ein verantwortungsbewusstes Glied der Gesellschaft Apfelgelee zu kochen, habe ich den Abend mit Kartoffelbrei, gedünstetem Brokkoli und Steak vertan. Ja, gut, ich habe Champignons Sauté mit Sauce Madère gemacht. Wissen Sie, was das ist? Das ist Rinderbrühe, mit Karotten, Sellerie, Vermouth, Lorbeerblatt und Thymian aufgekocht und mit Maisstärke gedickt. Geviertelte Champignons werden in Butter gebraten und der Bratensatz mit Madeira gelöscht, dann mischt man Pilze und Braune Sauce und lässt es etwas köcheln. Das ist doch läppischer Scheiß, sonst gar nichts. Man sollte mich mit einem großen, scharlachroten L auf der Brust brandmarken, denn ich bin ein verdammter Loser. Und dann dieser Eric! »Vielleicht ist es ja gar nicht nötig, alles abzuhaken.« Wo hat der denn in den letzten elf Monaten gesteckt? Kapiert er nicht? Versteht er das nicht: Wenn ich nicht in einem Jahr das ganze Buch durcharbeite, war alles umsonst, dann versinke ich wieder in Mittelmäßigkeit und Verzweiflung, lande wahrscheinlich auf der Straße und muss dem Erstbesten einen blasen, um mein Crack zu finanzieren. Er kann mich sowieso nicht mehr ausstehen. Schauen Sie ihn doch an, wie er da auf seiner Bettseite zusammengerollt liegt, als wolle er nicht mal mehr mit mir in Berührung kommen. Und zwar deshalb, weil ich nach Versagen stinke. Ich bin dem Untergang geweiht ...
    Ach ja. Nichts kommt einer Nacht gleich, in der man gut schläft.
    Ich dusche mir den Versagergestank ein bisschen vom Leib und hole mein Kostüm für hyperwichtige Sitzungen raus. Ich

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