Julie u Julia - 365 Tage, 524 Rezepte Und 1 Winzige Küche
habe es schon länger nicht mehr getragen, ich darf mich also nicht wundern, wenn ich dafür zu vollbusig geworden bin. Ich bekomme allmählich Körbchengröße... na ja, eben zwanzig Pfund Übergewicht. Ich bin wie eine Lara Croft der Küche, nur ohne die geilen Klamotten und exotischen Schauplätze und ohne den Sexappeal.
Obwohl ich bestimmt zu spät komme, aus meiner Kostümjacke platze und schwitze wie ein Schwein, schalte ich den Laptop an, kritzle einen Blogeintrag rein und schau mir die Mailbox an, denn - was soll ich sagen? Ich bin süchtig. Ich habe einen Brief von einem älteren Herrn bekommen, der 22 Jahre als Soldat in Frankreich war und das Bedürfnis verspürt, mir ziemlich unverblümt mitzuteilen, er halte mein Projekt im Grunde für eine unpatriotische Verherrlichung von Charles de Gaulles Entscheidung aus dem Jahr 1966, die französischen Truppen aus der NATO zurückzuziehen, und der daraus resultierenden Verlegung des NATO-Hauptquartiers von Paris nach Brüssel. Herrgott noch mal! Als hätte ich im Büro nicht genug von diesem verrückten Altherrengewäsch: den Bordeaux wegschütten und die Pommes in Freiheitsfritten umbenennen.
Ich frage mich, ob ich vielleicht einfach keine Begabung für so was wie Glück habe, denn dieser morgendliche Super-GAU folgte unmittelbar auf eine meiner beeindruckendsten Leistungen. Am Wochenende zuvor hatten wir nämlich ein Tarte-Gelage, eine Völlerei mit Tartes, eine Tarte-Orgie - ja, geradezu eine Tarte-Megasession. Tarte aux Pêches , Tarte aux Limettes , Tartes aux Poires , Tarte aux Cerises . Tarte au Fromage Frais , mit und ohne Pruneaux . Tarte au Citron et aux Amandes , Tartes aux Poires à la Bourdaloue und Tarte aux Fraises , was nicht bedeutet »Frische Tarte«, wie der Name analog zu Tarte aux Fromage Frais (Tarte mit Frischkäse natürlich) suggeriert, sondern Erdbeer-Tarte. Kleine Französischnachhilfe. Warum werden ausgerechnet Erdbeeren nach ihrer Frische benannt? Warum nicht Brombeeren? Oder sagen wir Bachforellen? Ich spiele gern den Amateur-Etymologen (um nicht zu sagen den völlig Ahnungslosen...).
Ich hatte zwei Sorten Teig zubereitet, in einer Küche, in der es so heiß war, dass die Butter, obwohl ich mit der Küchenmaschine arbeitete, schon schmolz, bevor ich sie einarbeiten konnte. Das Ergebnis waren acht Tortenböden, vielleicht nicht gerade vorbildlich geformt, aber doch recht gut. Und für diese acht Tortenböden machte ich acht verschiedene Füllungen. Ich rührte Butter schaumig, trennte Eier und schlug Teig »bis zur Schleife«. Ich pochierte Birnen, Kirschen und Pflaumen in Rotwein. Ich buk und buk und buk. Ich spülte alle Teller und Kaffeetassen, auf denen sich eine klebrige, schwarze Schicht aus Industriebrachestaub angesammelt hatte. Ich glaube, ich habe mich sogar selbst gewaschen, denn wir erwarteten Gäste. Und all das tat ich ohne einen einzigen hysterischen Anfall, während Eric diese verdammten Fliegen jagte, die jetzt plötzlich überall auftauchten, Dutzende winziger Fliegen.
Vor einem Jahr noch war es immer eine schwere Geburt, wenn wir jemanden zum Essen einluden. Wenn ich jetzt frage, kommen sie gleich. Ich weiß nicht, warum. Mir gefällt der Gedanke, dass sie an meinem bedeutenden sozialen Experiment teilhaben wollen, aber das riecht nach Narzissmus. An diesem Abend hatten wir das Haus voll, und niemand scherte sich darum, ob es heiß war oder er zu viel aß. Wir lachten viel und warben für unsere jeweilige Lieblingstarte. Ich zeigte ihnen DVDs mit Julia Childs Shows, ich glaubte wohl, ich könnte ihnen nahe bringen, wie unbeschreiblich klug sie war und wie Recht sie hatte. Aus den höflichen, leicht verunsicherten Mienen und den gelegentlichen Witzen schloss ich, dass dies nicht funktionierte - wilde Proselytenmacherei funktioniert nur selten -, also schaltete ich Julia Child aus und legte eine leichter zugängliche Buffy -Folge aus der dritten Staffel ein.
Eric würdigte meine Leistung mit einem aus tiefster Seele kommenden »Donnerwetter, so schmeckt’s bei uns in Long Island City!« Und in der Tat ächzte der Tisch unter der Last der prächtigen Tartes, mehr, als ein ganzes Heer von Buffy-Fans essen konnte - allerdings machte dann ein Heer republikanischer Bürohengste mit den Resten kurzen Prozess, sie aßen sogar die Überbleibsel meiner Tarte aux Cerises Flambée , die sich nicht hatte flambieren lassen und folglich ziemlich versoffen schmeckte. (Sie holen sich eben ihre Rauschmittel, wo sie sie herkriegen
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