Julie u Julia - 365 Tage, 524 Rezepte Und 1 Winzige Küche
wiederum in eine größere, mit Eis gefüllte Kartoffelchipsdose stecken, sich dann auf dem Küchenboden gegenüber setzen und die Dose zwischen sich hin und her rollen lassen. Natürlich hat er die Wonnen an Heim und Herd genauso im Griff wie das kühne Abenteuerleben.
Wenn ich Eric vor Heathcliff anfauche, ist das ein demütigendes Eingeständnis der Tatsache, dass ich an beiden Fronten ziemlich versage. Aber es ist nicht nur das. Es ist auch ein quälender Hinweis darauf, dass ich eines Tages unvermeidlich so sein werde wie meine Mutter: ein Märtyrer oder Nörgler oder unvernünftig oder auch nur missmutig wegen meiner schwachen Gelenke. Mit einem geschwollenen Knöchel durch die Küche hüpfen und den Ehemann gemein ankeifen - genau das würde auch meine Mutter tun. Ich hätte den von dieser Erkenntnis hervorgerufenen Zorn mit einem wohltuenden Wodka Tonic beschwichtigt, wenn Eric nicht die Flasche Stoli, die er auf dem Heimweg gekauft hatte, in der U-Bahn fallen gelassen und zerschmettert hätte. Darüber wütend zu werden, hätte auch nur wieder Mom ähnlich gesehen, also biss ich die Zähne zusammen und begann mit der seltsamen Mahlzeit, die ich für heute Abend geplant hatte, Omelettes Gratinées à la Tomate und Quartiers de Fonds d’Artichauts au Beurre - mit Tomaten gefüllte und mit Sahne und Käse überbackene Omelettes und geviertelte Artischockenböden mit Butter.
Chris - die Verfasserin jener gespenstischen Klage, warum ich denn nichts geschrieben habe, ob ich tot sei? - fand es unglaublich, dass ich vor dem Julie/Julia-Projekt noch nie ein Ei gegessen hatte. Sie fragte: »Wie bist du nur durchs Leben gekommen, ohne ein einziges Ei gegessen zu haben? Wie ist das überhaupt MÖglich???!!!!!«
Natürlich stimmt es nicht ganz, dass ich nie ein Ei gegessen habe. In Kuchen habe ich welche gegessen, ein- oder zweimal sogar Rühreier, wenn auch in der texanischen Version mit Jalapeños und einem Pfund Käse. Aber das Ziel meines Eierkonsums war es immer, dass das Ei möglichst nicht nach Ei aussah, roch oder schmeckte, und insofern habe ich eine ungewöhnliche Essensvergangenheit. Chris war mit ihrem Entsetzen nicht allein. Leute, von denen ich noch nie gehört hatte, reagierten erschrocken und bestürzt. Ich verstehe das nicht ganz. Das ist bestimmt nicht so exzentrisch und heikel, wie wenn jemand zum Beispiel keine Croutons mag - wie gewisse Ehemänner, deren Namen ich hier nicht nennen will.
Zum Glück schmecken die Eier à la Julia Child oft wie Sahnesauce. Zum Beispiel Œufs en Cocotte . Das sind mit Butter und Sahne gebackene Eier in Souffléförmchen, die man in eine flache Schale mit Wasser setzt. Sie sind einfach himmlisch gut. Besser als Œufs en Cocotte sind in der Tat nur noch Œufs en Cocotte mit Sauce au Cari , wenn man mit einem fürchterlichen Kater aufwacht. Es gibt so Nächte, wo jemand noch um Mitternacht beschließt, Zigaretten zu holen, und die Mädchen dann rauchend und trinkend bis drei Uhr früh durchs Wohnzimmer tanzen, zu der Musik, die der Knabe mit dem neuen G3 Powerbook (wahnsinnig hip und stylish) von iTunes runtergeladen hat. Am Morgen nach einer solchen Nacht munden Œufs en Cocotte mit Sauce au Cari , eine Tasse Kaffee und ein Riesenglas Wasser wie ein Mahl, das dir die verschleierten Töchter eines nomadisierenden Beduinenstammes kredenzen, nachdem eine von ihnen dich im Sand der endlosen arabischen Wüste gefunden hat, den Tod vor Augen - so gut sind sie!
Trotzdem, ich glaube, es war das Kapitel Omelettes , das mich wirklich zu den Eiern bekehrt hat.
Die Zeichnungen in Mastering the Art of French Cooking sind immer aufregend. Man kommt sich vor, als meistere man etwas richtig Respekteinflößendes wie die Lithographie oder die Kalte Fusion oder so was. Oder welcher Kunstfertigkeit mag Folgendes entsprechen:
Packen Sie den Pfannenstiel mit beiden Händen, die Daumen nach oben, und bewegen Sie die Pfanne kräftig ruckweise auf sich zu, etwa einmal pro Sekunde. Halten Sie die Pfanne dabei leicht schräg in einem 20-Grad-Winkel zur Flamme.
Durch die reißende Bewegung verschieben sich die Eier erst Richtung Pfannenrand und dann wieder zurück. Man muss ordentlich ruckeln, sonst lösen sich die Eier nicht vom Pfannenboden. Nach einigem Rütteln beginnen sie zu stocken.
Geht es nur mir so? Da denkt man doch sofort an eine uralte, wahrscheinlich schmerzhafte japanische Sexualpraxis, von der man damals im College gelesen hat, man erinnert sich vage …
Na ja,
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