Julie u Julia - 365 Tage, 524 Rezepte Und 1 Winzige Küche
neurotische Sally. Die Sally, die keinen Wert darauf legt, verheiratet zu sein wie ihre langweilige Schwester, die weiß, dass kein einziger von den Jungs, die sie anschleppt, auch nur annähernd gut genug für sie ist - nicht klug genug, nicht nett genug, ohne jede Begabung, die ihrem perlenden Lachen gleichkäme, ihrer Stimme, die in einem Zimmer voller fremder Menschen wie Champagnerbläschen aufsteigt.
Eric schob sein letztes Artischockenviertel beherzt auf dem Teller hin und her, den er auf meinem geschwollenen Fuß balancierte - welcher wiederum auf seinem Schoß ruhte -, und tunkte damit die letzten Tropfen zerlassener Butter auf. »Sally ist schließlich keine Heilige.«
Gerade als er sich das letzte khakigrüne, tropfende Dreieck in den Mund plumpsen ließ, boxte ich ihn heftig gegen die Schulter - nicht ganz einfach, weil ich mich zu diesem Zweck über die ganze Länge meines hoch gelagerten Beines strecken musste. »Red keinen Blödsinn.«
»Na, komm. Du weißt doch, dass ich Sally mag. Aber sie ist irgendwie - stachlig .«
Stimmt, keine meiner Freundinnen ist besonders gefügig. Gwen geriet in der U-Bahn einmal in einen richtigen Faustkampf, als sie einem Haufen kreischender Schulmädchen riet, sie sollten ihr Maul halten. (Eines der Mädchen verpasste ihr mit ihren sieben Zentimeter langen aufgeklebten Fingernägeln einen Kratzer auf der Wange, der wochenlang nicht heilte.) Von Isabels eigenartig rauchiger Kinderstimme und ihrem schwarzen Humor sollen manche Männer schon einen Ausschlag bekommen haben. Und Sally ist die Schwierigste von allen. Wenn sie eine Filmschauspielerin wäre, dann am ehesten Rosalind Russell in Sein Mädchen für besondere Fälle ; unter den Gemüsen wäre sie eine Artischocke. Sie ist aber Sally, ein harter Brocken und eine höllische Partnerin für ein blind date .
»Weißt du«, meldete sich Heathcliff, »vielleicht ist Sally einfach nicht der Ehetyp. - Aua! Was ist denn?«
Wenn die Männer in meinem Leben nicht ständig klugscheißerische Bemerkungen von sich gäben, hätten sie nicht so viele blaue Flecken.
Als wir Kinder waren, besaß Heathcliff ein Spielzeug, ein gewundenes Glasröhrchen mit zwei Kolben an den Enden. Es sah fast aus wie eines der Küchengeräte, die Julia von ihren Auslandsreisen mitbrachte, allerdings war es mit einer geheimnisvollen roten Flüssigkeit gefüllt. Wenn man mit der Hand den Kolben mit der Flüssigkeit umschloss, wurde sie von der Körperwärme zum Kochen gebracht und stieg bis in den anderen Kolben hinauf. Nur bei mir funktionierte das nicht. Wenn ich den leeren Ballon hielt, schien die Flüssigkeit aus dem anderen Ballon in meine Handfläche zurückgesaugt zu werden, als ob das physikalische oder chemische Gesetz, das diesem Spielzeug zugrunde lag, bei mir nicht gelten würde. Das war einer von vielen Hinweisen auf die mir unerklärliche Frage: Was bin ich nur für ein Ungeheuer ? Dazu gehörte zum Beispiel auch, dass ich Dinge verlor - Autoschlüssel, Brillen, Zahnspangen, 20-Dollar-Scheine -, und zwar in einem Ausmaß, das normale Schussligkeit weit überstieg und übernatürliche Dimensionen annahm. Wenn ich später, als Teenager, nach einer langen, sexgesättigten Nacht allein heimfuhr, kam es vor, dass die Straßenbeleuchtung einfach ausging: Ich fuhr den Highway entlang, und eine Straßenlaterne nach der anderen gab den Geist auf.
Als ich im College zu kochen anfing, begriff ich bald, dass ich eine gespenstische Unfähigkeit besaß, irgendetwas zuzubereiten, das fest werden, gären, gelieren oder aufgehen musste. Brot, Mayonnaise, Vodka Jell-O Shots - ganz egal. Wenn sich Flüssiges und Festes verbinden und zu etwas anderem werden sollen, etwas Luftigem, Aufgeblähtem oder Cremigem, bin ich ein hoffnungsloser Fall.
Außerdem stirbt jede Pflanze, die ich berühre.
Ich habe als Kind keine Comics gelesen, deshalb wusste ich nichts von X-Men, bis Eric mich als Erwachsene darüber aufklärte. Sonst hätte ich schon viel früher erkannt, dass ich ein Mutant bin - vermutlich eine Kreuzung zwischen Magneto und Rogue mit einem Schuss Lucille Ball. Vielleicht kommen daher auch meine Hormonprobleme, das ungeliebte weibliche Erbe, mit dem sich mein makelloser Bruder, da er ein Mann ist, niemals herumschlagen muss. Eine Goldgrube für den Elektrolyse-Enthaarer und eines Tages vermutlich auch für den Frauenarzt, der mir die Medikamente verschreibt, die ich einnehmen muss, um schwanger zu werden - wenn ich überhaupt schwanger werden
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