Julie u Julia - 365 Tage, 524 Rezepte Und 1 Winzige Küche
der Sache. Wieder ab in den Kühlschrank, wo es endgültig aushärtet.
Ich stopfte gerade den Schrott aus dem Kühlschrank in einen großen, schwarzen Müllsack, als Gwen klingelte. Sie musste sofort, nachdem sie aufgelegt hatte, aus der Tür gesprungen sein. Kein gutes Zeichen. Ich ging hinunter, um sie hereinzulassen.
»Ich hab Wodka mitgebracht. Können wir schon was trinken?«
»Oh, Gwen, was war los?«
Wir gingen wieder hinauf in die Küche, und während ich Estragonblätter blanchierte - sie in kochendes Wasser warf, sofort wieder rausschöpfte, kaltes Wasser darüber laufen und sie auf Küchenpapier trocknen ließ -, setzte sich Gwen auf einen Hocker und erstattete mir detaillierten Bericht.
Es hatte alles so gut angefangen. Das heißt, wenn man die ganze Aussichtslosigkeit und das schlechte Augenmaß mal außer Acht lässt. Sie hatten sich am Donnerstagabend in einer angemessen dubiosen Bar in den West Thirties getroffen. Mitch hatte sie ausgesucht. Er gab den Ton an, schon in der Sekunde, als sie sich zu ihm in die Nische setzte. Er hatte ihr bereits einen Drink bestellt - Scotch mit Soda. Sie sagte, sie sei eher der Wodka-Tonic-Typ, aber er antwortete nur: »Nicht heute Abend.« Und damit war der Stil des Abends festgelegt. Der arrogante, dominante, unwiderstehliche Mitch der Instant Messages war Fleisch geworden. Einen Scotch mit Soda später hatte sie die Hand auf seinem Schritt liegen, mitten in der Bar, und noch mal zwei Drinks später gingen sie sich schon in einem Damenklo an die Wäsche.
»Sich in einem Damenklo an die Wäsche gehen, das klingt für mich ziemlich gut, aber vielleicht nur, weil ich schon fünf Jahre verheiratet bin.« Ich öffnete den Kühlschrank, um das Hähnchen rauszuholen, und weil ich schon mal dabei war, reichte ich Gwen die Eiswürfelschale. (Sie hatte festgestellt, dass halb vier nicht zu früh war, um etwas zu trinken.) »Wo liegt das Problem?«
»Also, wir gingen in das Apartment, wo er wohnte und - lieber Gott, gibt es das zum Abendessen?« Die dritte Schicht Gelee war nahezu fest, und ich tauchte gewissenhaft und meine Nerven strapazierend die einzelnen Estragonblättchen in halbfestes Gelee und legte sie zu dämlichen Kreuzchen auf die Hühnerteile. Auf den Œufs en Gelée hatten die Estragonkreuze noch irgendwie bedrohlich ausgesehen, auf Poulet en Gelée à l’Estragon wirkten sie nur ramponiert und traurig. »Ich fürchte, ja.«
»Ich wollte dich nicht kränken. Das schmeckt bestimmt wunderbar. Können wir es vorher warm machen?«
Ich goss die letzte Tasse Gelee über das Huhn, wodurch die Estragonblätter verrutschten. Scheiß drauf. Ich donnerte das Tier wieder in den Kühlschrank, mixte mir einen Wodka Tonic - was soll’s - und setzte mich auf den zweiten Küchenstuhl. Gwen schüttelte eine Zigarette aus der Packung und zündete sie mir an, dann eine zweite für sich.
»Es war ein aberwitzig fantastisches Loft, man könnte eine Halfpipe reinbauen, es gehört einem Freund von Mitch, ich weiß nicht, wem. Allerdings hatte ich nicht viel Zeit, um es zu besichtigen. Julie, der Sex war einfach - Herrgott! Du weißt ja, wenn man mit einem Kerl zusammen ist, der, na ja... richtig riesig ist, dann ist er im Bett meistens lausig, man muss nur ständig sein atemberaubendes Teil bewundern. Mitch ist... du weißt schon... aber er ist ganz anders. Ich schwör’s dir, ich bin mindestens zehn Mal gekommen, kein Witz.«
Ich bin, seit ich achtzehn bin, mit demselben Mann zusammen, und trotzdem reden meine allein stehenden Freundinnen über diese Dinge mit mir, als müsste ich eine Ahnung davon haben. Ich weiß nicht, ob sie glauben, ich sei als Teenager ein Weltklasse-Flittchen gewesen, oder ich würde mich an meine früheren Leben erinnern oder was. Gott sei Dank gibt es Sex in the City; ich setzte einfach mein bestes, mitleidig-verständnisvolles Cynthia-Nixon-Freundinnen-Gesicht auf und nickte.
»Klingt so richtig nach beschissenem Wochenende.« Das kam ein klein bisschen verbittert raus, aber ich konnte es nicht ändern. Gwen hatte ein Wochenende mit bombigem Sex hinter sich, kam deprimiert zu mir und beklagte sich darüber, dass sie Aspik vorgesetzt bekam. Julia hätte eine solche Situation sicher souverän gemeistert. Aber Julia hasste Aspik nicht so wie ich. Und sie hatte wahrscheinlich öfter Sex.
»Wart nur, dazu komme ich noch. Wie wir fertig sind, bittet er mich zu gehen, er muss noch ein bisschen ausruhen, weil er am nächsten Tag ein Verkaufsgespräch
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