Julie u Julia - 365 Tage, 524 Rezepte Und 1 Winzige Küche
bringen, überstieg meine schwachen Kräfte. In dem rostfreien Gitter über dem Fenster, an dem meine Pfannen hingen, klebten Katzenhaare. Die gelblichen Fettflecken gingen nicht von der Wand ab, so fest ich auch schrubbte. Ich lenkte mich von meiner miserablen Haushaltsführung ab mit der Erzeugung von Gelee, einer Quälerei, für die ich wenigstens nicht verantwortlich war. Dieses Gelée wurde aus Dosen-Hühnerbrühe hergestellt, mit Estragon gewürzt und mit Portwein aromatisiert - ein australisches Zeug, das ich in dem Weinladen am Union Square gekauft hatte und das erstaunlich gut schmeckte. So gut, dass ich schon mal zwei Gläschen trank, denn Eric war im Büro beim »Arbeiten«. Wahrscheinlich wollte er seinen Samstag nicht in einem gammligen »Loft« verbringen und zusehen, wie sich seine Frau mit der Zubereitung von Gelée in die Frustration hineinarbeitete. Ich konnte ihm das nicht verdenken, ich hätte meinen Samstag auch lieber anders zugebracht.
Aber offenbar gibt es an Samstagen noch Schlimmeres zu tun, denn als er um sieben Uhr heimkam, war er schlechter Laune. Über das Abendessen äußerte er nur, dass er Estragon nicht mochte, und am Ende tranken wir zu viel, schauten uns einen deutschen Film an und schliefen auf dem Sofa ein.
Als Krönung des Ganzen wachte er am Sonntagmorgen mit Migräne auf. Er blieb bis spät in den Vormittag im Bett liegen. »Honey«, rief ich gegen elf Uhr und gab mir nur wenig Mühe, nicht gereizt zu klingen, »willst du Kaffee?«
»Uah, nein. Ich kauf mir ein Gatorade, wenn ich ins Büro gehe.«
»Du gehst nicht ins Büro! Du kannst nicht, du bist so gut wie tot.«
»Ich muss. Wenn ich erst mal auf bin, wird es mir schon besser gehen.« Er hechtete mit einem einzigen schicksalsergebenen Ausfallschritt aus dem Bett, griff nach den zerknitterten Kleidungsstücken, die er sich auf dem Weg zum Bett vom Leib geschält hatte, als wir um zwei Uhr morgens mit festgeschmorten Kontaktlinsen und symmetrisch verrenkten Hälsen aufgewacht waren, und ging ins Bad, um sich zu erbrechen. Danach starrte er eine Weile in die Zeitung, rieb sich wie zum Trost die Stoppeln an den grauen Wangen, stand unvermittelt auf und torkelte zur Tür. Ich habe es nie verstanden, wie Eric so plötzlich aufbrechen kann, ohne eine Sekunde Vorbereitung. Ich könnte das nie, und wenn wir wegen radioaktiver Verseuchung evakuiert würden.
»Hä? Tschüs?«
»Tschuldigung, Honey.« Er kam zurück zu meinem Stuhl und drückte mir rasch seine rissigen Lippen auf die Wange. »Ich riech nicht gut. Ich hoffe, ich bin bis sechs Uhr wieder da.«
Um das Poulet en Gelée à l’Estragon aufzubauen, muss man erst einmal das Gelee erhitzen und eine dünne Schicht auf eine ovale Servierplatte gießen. Nur dass ich keine ovale Servierplatte besaß.
Ich nahm also eine schwere, spießige weiße Calvin-Klein-Platte her, die wir zur Hochzeit bekommen hatten. (Wussten Sie, dass Calvin Klein auch Geschirr entworfen hat? Tja.) Um sie zum Erstarren in den Kühlschrank schieben zu können, musste ich ein ganzes Fach leer räumen, und so standen plötzlich Marmeladengläser, halb verschimmelte Limonen, vergessener Sauerrahm, verwelkte Petersilienstängel und merkwürdig riechende Butterreste auf meiner nicht allzu sauberen Arbeitsfläche herum. Für jemanden wie Sally oder meine Mutter wäre dies Anlass für eine Kühlschranksäuberungsorgie gewesen. Aber so jemand bin ich nicht.
Sobald die erste Lage Gelee fest ist, muss man das gebratene kalte Hähnchen zerlegen und auf der Platte anrichten. Ich bin kein As im Tranchieren. Meine Stücke sahen ziemlich ramponiert aus, aber ich ließ mir deswegen keine grauen Haare wachsen. Die Platte wanderte wieder in den Kühlschrank. Ich stellte eine Tasse angewärmtes Gelee in eine Schüssel mit Eis, rührte, bis es gerade zu erstarren begann und verteilte es löffelweise über dem Hähnchen. Julia schreibt, die erste Lage werde »nicht besonders gut haften«, was in der Tat zutraf.
Gwen rief an. »Hey.«
»Hey! Wie war dein tolles Wochenende?«
»Kann ich kommen?«
»Oh-oh. So schlimm? Sag nichts - komm gleich rüber. Eric ist erst um sechs wieder da. Ich mach gerade Aspik.«
»Oh, fantastisch. Der perfekte Abschluss für ein perfektes Wochenende.«
Diese Prozedur - halbfestes Gelee über die Hähnchenteile gießen - muss man noch zweimal wiederholen. Die nächsten beiden Lagen haften besser. Das Hähnchen sieht allmählich aus wie in Polyurethan gegossen, das ist wohl auch der Sinn
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