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Julie u Julia - 365 Tage, 524 Rezepte Und 1 Winzige Küche

Titel: Julie u Julia - 365 Tage, 524 Rezepte Und 1 Winzige Küche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Powell
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Dieser Unterschied bedeutet, dass ich kein Mörder im Sinne des Gesetzes bin. Aber ich habe Blut an den Händen, wenn auch nur das helle Blut von Hummern.
    Wir hatten endlich eine dieser Einschlafhilfen gekauft, um das Dröhnen der Schwerlaster zu übertönen, die jede Nacht an unserer Wohnung vorbeidonnerten. Das Gerät hat einen kleinen Lautsprecher, der unters Kissen passt, und die meisten Nächte funktioniert es. Doch am Vorabend meines ersten Verbrechens murmelte mir das einschläfernde Meeresrauschen Modell Oceania ins Ohr: »Hummermörder, Hummermörder, Hummermörder...«
    Als es dämmerte, wachte ich auf. Ich machte mir Sorgen. Es war Sonntag in Long Island City - kein Gedanke, dass ich heute einen Hummer umbringen würde, wo sollte ich überhaupt einen hernehmen, um Himmels willen? Was würde er kosten? Wie bekäme ich ihn nach Hause? Ich bombardierte Eric mit diesen Fragen und hoffte, er werde antworten: »Ja, du hast Recht, da wird nichts draus. Na ja, dann heben wir uns den Hummer eben für einen anderen Tag auf. Domino’s Pizza? Speck und Peperoni?«
    Doch das sagte er nicht. Stattdessen holte er sich die Gelben Seiten und telefonierte. Schon der erste Fischmarkt hatte geöffnet. Der Bronco sprang an, der Verkehr Richtung Astoria lief reibungslos. Der Fischladen roch nicht nach Fisch, und in einem schmutzigen, trüben Becken gab es auch Hummer. Ich kaufte zwei. Es fügte sich eins zum andern, es stand in den Sternen geschrieben, dass diese Hummer sterben mussten.
    Ich hatte angenommen, ich müsse die Hummer in einem Eimer heimschleppen, aber der Verkäufer steckte sie mir einfach in eine Papiertüte. Ich sollte sie im Kühlschrank aufheben. Sie würden sich bis zum Donnerstag halten. Iiih!! Ich trug sie zum Auto und legte sie auf den Rücksitz - was sonst, sollten wir die Geschöpfe auf den Schoß nehmen? Auf der Heimfahrt fühlte ich ein Kribbeln im Nacken, und ich spitzte die Ohren, ob sich nicht mit leisem Knistern eine Hummerschere aus der Papiertüte wagte - aber die Hummer blieben ruhig sitzen. Das ist nun mal so, wenn man erstickt.
    In ihrer Beschreibung des Homard Thermidor fasst sich Julia sehr kurz. In Notlagen erscheint sie mir immer äußerst kryptisch. Zum Beispiel sagt sie nichts davon, wie man Hummer aufbewahrt. In Joy of Cooking steht zwar auch nichts darüber, das muss man fairerweise sagen, aber dort erhält man wenigstens den Hinweis, dass ein Hummer lebhaft um sich schlagen muss, wenn er aus dem Becken kommt. Meine Hummer schlugen nicht um sich. In Joy of Cooking stand, wenn sie schlaff seien, stürben sie womöglich noch vor dem Kochen. Dies galt offenbar als nicht erstrebenswert. Ich spähte in die Tüte im Kühlschrank und sah mich einem Paar schwarzer Stielaugen und trunken winkenden Fühlern gegenüber.
    Ich hatte mich über alle Formen der humanen Sterbehilfe bei Hummern kundig gemacht - in die Tiefkühltruhe stecken, ins Eiswasser legen, das man dann zum Kochen bringt (angeblich merken sie dann nicht, dass sie gekocht werden), oder vorher das Rückenmark mit einem Messer durchtrennen. Doch all dies schienen mir nur Beruhigungsmittel zu sein, eher dazu geeignet, die Köche vor seelischer Qual zu bewahren als das Kochgut vor körperlicher. Am Ende nahm ich sie einfach aus der Papiertüte und ließ sie in einen Topf mit kochendem Wasser, Vermouth und Gemüse fallen. Und dann flippte ich aus.
    Der Topf war nicht groß genug. Zwar schrien die Hummer nicht vor Entsetzen auf, als ich sie hineinfallen ließ, doch ihr Schweigen zog nur den unerträglichen Moment in die Länge. Es war, wie wenn das Auto ins Schleudern gerät und man vor seinem inneren Auge schon das brennende Wrack sieht, als das man unweigerlich endet. Noch eine Sekunde, und der Schmerz würde die Tiere aus ihrem Scheintod erwecken, ich wusste es, und ich bekam den gottverdammten Deckel nicht zu. Es war einfach entsetzlich. Mein heldenhafter/mordlustiger Ehemann musste die Dinge in die Hand nehmen. Ich rechnete damit, dass er wie ich zusammenbrach, er ist nicht gerade der Angler-und-Jäger - Typ. Doch offenbar haben sich bei ihm ein paar jener erbarmungslosen westtexanischen Sheriffgene durchgesetzt, denn er schaffte es, die Biester ohne großmächtiges Theater zu bändigen.
    Es heißt, Hummer machen im Topf ein fürchterliches Spektakel, weil sie versuchen, aus dem Wasser zu kraxeln - was nur verständlich wäre. Ich wollte es nicht wissen. Ich saß die nächsten zwanzig Minuten vor dem Fernseher und schaute mir ein

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