Julie u Julia - 365 Tage, 524 Rezepte Und 1 Winzige Küche
angerufen. Ich würde keine Wette eingehen, dass ich ihren Geburtstag weiß, und zu Weihnachten schicke ich ihr irgendeinen Krempel, den ich bei Barnes & Nobles in letzter Minute an der Kasse mitgenommen habe. Ihre Freunde habe ich nie richtig kennen gelernt, und manchmal hätte ich sie am liebsten an den Schultern gepackt und angeschrien: »Um Himmels willen, Isabel, halt den Mund, nur eine Minute!«
Doch obwohl ich keine gute Freundin bin, liebe ich Isabel. Und deshalb war ich überglücklich, als Martin die Bühne betrat. Martin war wortkarg und ein bisschen sonderbar - ein Fotograf und Maler, behauptete jedenfalls Isabel, obwohl ich nie etwas von ihm gesehen habe. Er hielt sich ein bisschen krumm, wie viele große, dünne Männer, besonders große, dünne, schüchterne Männer. Aber sein seltenes Lächeln wirkte offen und freundlich. Und er musste nichts sagen, um zu zeigen, dass er Isabel verstand - die gelinde gesagt nicht einfach zu verstehen ist -, dass er sah, was sich unter all dem Gekreische und den schrägen Subkultureinfällen verbarg. Er musste sie nur anschauen.
Sie heirateten auf dem Rasen ihres reichen Onkels. Alles war verschwenderisch mit Blumen dekoriert, und ihre Freundin Ursula buk Schwindel erregend flippige, köstliche Braut- und Bräutigamstorten. Isabel trug ein burgunderrotes Samtkleid, das ihr ansehnliches Dekolleté zur Geltung brachte und ihre Haut sahnig weiß schimmern ließ. Wie immer hatte sie sich selbst frisiert, aber diesmal trug sie das Haar schlicht und hatte auf Dauerwelle und Bienenkorbfrisur verzichtet. Martin trug einen kuriosen samtenen Sportmantel aus einem Secondhand-Laden in der gleichen Farbe wie Isabels Kleid - er bestand nur aus Ellbogen und Knien, eine rotglühende Vogelscheuche. Isabels Freundin Mindy las einen Text vor, in dem die Ehe mit einem Basislager verglichen wurde, und ich rezitierte ein Gedicht von Philip Levine über den Cunnilingus. Alles war sehr isabellen.
Wie ich schon erklärt habe, bin ich keine Verfechterin der Unverletzlichkeit des Ehegelübdes; jedem das Seine, finde ich. Aber manchmal gibt es Ausnahmen. Denn manchmal beschleicht einen so ein Gefühl, wenn man miterlebt, wie ein geliebter Mensch sich verliebt - vor allem ein trauriger oder schwieriger oder aus irgendeinem Grund zum Rest der Welt nicht passender Mensch. Ein Gefühl der Erleichterung, ja, wirklich, als sei man nun eine Last los, von der man gar nicht gewusst hatte, dass man sie trug. Dieses Gefühl hatte ich, als Isabel Martin heiratete - »So, die ist jetzt gut aufgehoben«. Zwei Menschen, die sich genauso gut niemals hätten finden können, hatten sich gefunden. Mir erschien das als etwas Kostbares und Zerbrechliches.
Und dann, drei Jahre später, warf Isabel alles weg.
Gestern habe ich zum ersten Mal mit Jude telefoniert. Ich steh nicht gerade auf britischen Akzent, normalerweise kann ich ihn nicht ab, aber bei ihm klingt er einfach klasse.
Haben Sie mal mit ansehen müssen, wie eine Freundin die denkbar schlechteste Wahl trifft? Ständig schaut sie sich nach Ihnen um, strahlt, ist glücklicher als je zuvor, sicherer als je zuvor, und Sie sehen, wie ihr Fuß gleich ins Nichts tritt, in die Luft, und Sie können nichts tun, um sie vor der Klippe zu warnen. Sie können nicht sagen: »Mein Gott, Isabel, betrüg nicht Martin, der dich liebt, nur wegen einem englischen Punkgitarristen, den du nur aus dem Internet kennst!«
Übrigens vielen Dank für den Biest-Reis-Eintrag. Du hast ihn für uns alle gekocht, die wir ihn nie und nimmer kochen werden. Ich hoffe, deine Wasserleitungen sind wieder in Ordnung und du hast deinen Vermieter angerufen. Du weißt ja, dass deine Mutter dich über dein Blog kontrolliert? Wenn du den Vermieter nicht anrufst, BRINGT sie dich UM.
Isabel war die Einzige, die bei der Verkündung, ich wolle mich zwecks Seelenrettung durch Mastering the Art of French Cooking hindurchkochen, nicht behauptet hatte, ich spinne. Sie hatte an mich geglaubt, und jetzt musste ich an sie glauben. Was sollte ich sagen? Wie sollte ich sie bremsen, ohne sie zu verlieren?
Auch in den nächsten Wochen blieb ich beim Biest-Reis . Ich musste nicht, ich hatte das Rezept ausprobiert, im Buch stand ein kleines Häkchen neben Riz à l’Indienne - es gab also keinen Grund, warum ich nicht ein Säckchen Uncle Ben’s ins kochende Wasser werfen sollte und fertig. Aber ich war fasziniert. Der Biest-Reis war so unnötig pompös, so hartnäckig pingelig. Jedes
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